»Die Fabel vom Aufstand der Tiere des Farmers Jones und vom allmählichen Umschlag der Revolution in ihr den status quo ante wiederherstellendes Gegenteil gehört zu den bekanntesten literarischen Werken des 20. Jahrhunderts. Der Satz ›Alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere‹ wurde zum geflügelten Wort.«
Ist ein >Muss< für jedermann, der sich mit Politik und der allg. Weltmacht befasst. Dieses Buch ist aktuell und zwingt einem zu Vergleichen mit der heutigen Situation.
Sind alle Tiere gleich - oder sind einige gleicher? Grandioses Buch!
Bewertung am 25.03.2021
Bewertungsnummer: 906443
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
George Orwell (1903 - 1950), Schriftsteller, Intellektueller, Journalist. Bekannt vor allem für seine grandiose Dystopie 1984, war ein ausgezeichneter Beobachter seiner Zeit und Kämpfer für Gerechtigkeit und Freiheit. Viele vereinnahmen seine Zitate und verzerren sie - sogar Leute aus der politischen Rechten machen dies (um anti-kommunistische Propaganda zu betreiben oder gar um allgemein gegen jegliche soziale Aspekte Propaganda zu betreiben). Und das obwohl Orwell den demokratischen Sozialismus als »die einzig zukunftsträchtige Staatsform« bezeichnete.
Seine Parabel Farm der Tiere ist eine grandiose Beobachtung der Revolution in Russland und ihres verheerenden Werdegangs. Sie sollte Freiheit für alle Menschen bringen - und brachte schlussendlich nur Elend und Leid unter der Terrorherrschaft Stalins. Orwell betrachtete dies keineswegs als einzigartige Entwicklung - er sah darin vielmehr den Verlauf jeglicher Revolution und war somit ein Gegner von Revolutionen.
»Nun, Genossen, wie ist die Natur dieses unseres Lebens? Seien wir ehrlich: Unser Leben ist elend, mühevoll und kurz. Wir werden geboren, wir bekommen gerade so viel Futter, dass uns die Puste nicht ausgeht, und wer von uns dazu geeignet ist, wird gezwungen, bis zum letzten Deut seiner Kraft zu schuften; und just in dem Augenblick wo unserer Nützlichkeit aus ist, werden wir mit scheusslicher Grausamkeit hingeschlachtet. Wenn es erst einmal ein Jahr alt geworden ist, hat kein Tier in England mehr eine Vorstellung von Musse und Glück. Kein Tier in England ist frei. Das Leben eines Tieres ist Jammer und Sklaverei: Das ist die nackte Wahrheit.« (S. 12)
Das Elend der Massen in der zaristischen Gesellschaft (und in abgebildeter Form noch heute im Kapitalismus) - hat Orwell sehr schön in oben beschriebenen Abschnitt dargelegt. Aber wie kommt man aus diesen Verhältnissen heraus? Durch eine Revolution! Den Zaren stürzen, die Freiheit erlangen, zusammen arbeiten und die Produktionsmittel miteinander teilen . . . So dass alle in Freiheit und Frieden leben können. Das klingt schön - ist bis jetzt aber in der Geschichte (fast) immer gescheitert (ausser in einer kurzen Phase der Vor-Franco-Zeit in Spanien, als sich eine anarchistische Gesellschaft entwickelte - ohne Führer, ohne Konterrevolutionäre, ohne Geheimpolizei, ohne Terror gegen das Volk, ohne Unterdrückung und Unterjochung im Namen des Kommunismus).
»Die Sieben Gebote:
Alles, was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind.
Alles, was auf vier Beinen geht oder Flügel hat, ist ein Freund.
Kein Tier soll Kleider tragen.
Kein Tier soll in einem Bett schlafen.
Kein Tier soll Alkohol trinken.
Kein Tier soll ein anderes Tier töten.
Ale Tiere sind gleich.« (S. 28)
Für die Tiere in Orwells Roman klingt das sehr schön. Doch nach einiger Zeit stand an der Wand etwas anderes:
»Alle Tiere sind gleich - doch einige sind gleicher.«
Die verschiedenen Gesellschaftsschichten (ungebildetes und leicht zu beeinflussendes Proletariat, ein wenig gebildete und in Sympathie mit dem Proletariat stehende Mittelschicht, gebildetes aber dekadentes und selbstverliebtes Bürgertum) sind sehr gut anhand der drei Pferde Boxer, Kleeblatt und Mollie zu erkennen. Auch Stalin erkennt man im Schwein Napoleon sehr gut. Der alte, weise Eber Old Major verkörpert Marx und teilweise Lenin.
Auch andere Tiere kann man - wie in einer Parabel üblich - einzelnen Institutionen, Mächten oder Menschen zuordnen. Der Rabe Moses ist hier vielleicht noch zu erwähnen, der die Religion verkörpert. Orwell zeichnet in Farm der Tiere sehr schön die Rolle der Religionen nach, indem sie - verkörpert durch den Raben Moses - den Tieren einreden, die herrschende Ungerechtigkeit zu akzeptieren und auf die Erlösung im Himmel zu warten. Getreu nach Marx (oder auch anderer Philosophen - aber hier klar auf Marx bezogen) ist Orwell also der Meinung, dass Religion eine lähmende Wirkung auf die Menschen habe, dass sie »das Opium des Volkes« sei.
Über die Pressefreiheit zu dieser Zeit war Orwell besorgt, denn viele Intellektuelle erkannten die Gefahr der Sowjetunion nicht - oder wollten sie nicht erkennen. Auch über die Zurückhaltung der Pazifisten zeigte sich Orwell erstaunt: Pazifisten gingen auf die Strasse um gegen Krieg zu demonstrieren - wenn aber die Rote Armee ihr Kriegsgerät aufstockte, hörte man von den Pazifisten kein Wort. »Nach Ansicht dieser Pazifisten ist alle Gewalt böse, und sie haben uns in jedem Stadium des Kriegs gedrängt, aufzugeben oder wenigstens einen Kompromissfrieden zu schliessen. Aber wie viele von ihnen haben je zu verstehen gegeben, dass der Krieg auch böse ist, wenn die Rote Armee ihn führt?« (S. 147)
Im weiteren schrieb Orwell im Nachwort über die Macht der katholischen Kirche in der Presse und der öffentlichen Meinung und erkannte richtigerweise, dass »auch die katholische Kirche ( ) beträchtlichen Einfluss in der Presse (besitzt) und ( ) ihr laut werdende Kritik zu einem gewissen Grade zum Verstummen bringen (kann)«. (S. 139)
Und zum Abschluss schrieb Orwell jene berühmten Worte, die heute so oft zitiert werden: »Falls Freiheit überhaupt irgendetwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. ( ) Sind es die Liberalen, die die Liberalität fürchten, und die Intellektuellen, die den Intellekt beschmutzen wollen: Um auf diese Tatsache aufmerksam zu machen, habe ich dieses Nachwort geschrieben.« (S. 148)
Kurzweiliges, einfach geschriebenes Buch. Doch seine Analyse der russischen Revolution (und vielleicht jeglicher Revolution) ist so gut dargestellt, wie in keinem anderen Buch (ich kenne jedenfalls kein anderes Buch, indem dies so gut dargestellt ist, wie in Farm der Tiere).
Lesen!
Das Schöne an der "Farm der Tiere" ist, dass man schon als jugendlich*r Leser*in leicht verstehen kann, was der Autor sagen möchte: Kommunismus ist in der Theorie eine gute Idee, die aber in der Praxis nicht funktioniert: es wird immer jemanden geben, der "Gleicher" als die anderen ist. Und das Traurige an dem Buch ist, dass es auch immer einen "Helden der Arbeit" wie Boxer geben wird, der trotz seiner unendlichen Loyalität zu seinem Regime von diesem verraten und schließlich buchstäblich verkauft wird.
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