Beschreibung
Details
Einband
Taschenbuch
Erscheinungsdatum
30.08.2004
Herausgeber
Thomas Hoffmann + weitereVerlag
SuhrkampSeitenzahl
472
Der Band geht auf zwei Vorlesungen zurück, die Albrecht Wellmer an der FU Berlin gehalten hat. Ausgangspunkt ist eine kritische Betrachtung der Theorien Wittgensteins und Davidsons aus sprachpragmatischer Perspektive, der ein Exkurs zum Verhältnis von Wahrheit und Rechtfertigung folgt. Schließlich erweitert er die sprachanalytischen Fragestellungen um eine hermeneutische Sicht auf unsere Sprachpraxis. Mit Heidegger, Gadamer und Derrida geht er dabei einerseits über die Grenzen hinaus, die durch die sprachanalytische Vorgehensweise gezogen sind, konfrontiert andererseits die Texte der "kontinentalen" Philosophie mit den zuvor aus den sprachanalytischen Ansätzen gewonnenen Überlegungen. Beide Traditionslinien werden somit im Sinne einer kritisch-hermeneutischen Sprachphilosophie zusammengeführt.
Unsere Kundinnen und Kunden meinen
Verstehen
Zitronenblau am 27.09.2011
Bewertungsnummer: 744112
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Wellmer grenzt von Beginn an ein, dass es sich im vorliegenden Buch nicht um einen Überblick sondern vielmehr um eine Einführung mit egoistischer Richtung in die Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts handelt. Dabei geht er zum einen intensiv auf Wittgenstein und Davidson ein, zum anderen auf Heidegger und Gadamer, wobei er besonders den Bogen vom Davidsonschen Verstehensansatz zur Gadamerschen Hermeneutik ins Zentrum seiner Vorlesung stellt. Im ersten Teil rekapituliert er konzise die Wittgensteinsche Gebrauchstheorie der Bedeutung, die dem Pragmatismus gegenüber der Semantik einen gewissen Primat einräumt. Dabei erörtert Wellmer (wie gesagt) die Wittgensteinschen Kernthesen zur Verwendung von Worten, zum Sprachspiel und Regelfolgen als Praxis sowie zum Privatsprachenargument. "Wir können jetzt sehen, dass Wittgensteins Gebrauch des Regelbegriffs [...] die Merkmale der Differentialität, Wiederholbarkeit, Normativität der Sprachzeichen mit den Merkmalen der Offenheit, der Unabgeschlossenheit, ja, der Unvorhersehbarkeit der sprachlichen Bedeutung verknüpft, dass zugleich ein Boden sprachlicher Gewissheiten [...] als Bedingung der Möglichkeit [...] des sprachlichen Bedeutens erscheint." Das Meinen und Bedeuten wird gerade in der intersubjektiven Kommunikation ergänzt um den Begriff des Verstehens. Damit also in praxi erfolgreiche Identität zwischen Sprecher und Hörer stattfindet, ist das Deuten von Bedeutung unter der Bedingung einer "Gemeinsamkeit vor Urteilen". Davidsons Verstehenstheorie (radikale Interpretation etc.) ist insofern spannend, als dass es "nur persönliche Idiolekte und Überlappungen solcher Idiolekte" gibt, "und der theoretisch relevante Kern dessen, was wir [...] mit einer gemeinsamen Sprache meinen, ist die Übereinstimmung der wechselseitigen Interpretationstheorien. Zwar greift Wellmer das Konzept der "Wahrheitssemantik" an, dass Davison von Tarski modifizierte, akzeptiert aber das "principle of charitiy"-Modell (Prinzip der wohlwollenden Interpretation), sofern es die pragmatische Dimension mit umfasst. Eo ipso einleuchtend sind Wellmers Ausführungen zum Wahrheitsbegriff. "Das die Wahrheit intersubjektiv ist, bedeutet zugleich, dass die Wahrheit streitig ist." Es ist logisch, dass nur vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Praxis und deren Anerkennung Boden für den Nährstoff des Gebens und Verlangens von Gründen geliefert wird, um Überzeugungen zu rechtfertigen: "Dann aber lässt sich der primäre Sinn dessen, was Wahrheit bedeutet [...] vielmehr nur auf dem Weg einer reflexiven Vergewisserung von Grundstrukturen jener [sozialen] Praxis bestimmen." Ich finde diesen Satz außerordentlich nebulös, was soll reflexive Vergewisserung innerhalb einer Praxis sein? Und was sind deren "Grundstrukturen" im Lichte einer Wahrheitsdebatte? Den Zirkel zu Heidgger und Gedamer kann ich nun leider nur anschneiden, in nuce behauptet Wellmer folgendes: "Wenn man das Problemfeld des Verstehens in dieser Weise kartographiert, so erscheint die Hermeneutik Gadamers gleichsam als die Ausarbeitung einer Davidsonschen Problematik mit anderen Mitteln [...]. Heideggers Daseinsanalyse in 'Sein und Zeit' [...] lässt sich [...] als ein Gegenstück zu Wittgensteins Analyse der Sprache als Lebensform verstehen." Dieses Wellmersche Projekt ist interessant für Experten, für den "Bedeutungsforscher" weicht dieses etwas von der Erwartung ab. Dennoch sind die einzelnen Einführungen zu Wittgenstein, Davidson, Heidegger und Gadamer äußerst lesenswert! Wellmer weist gleichwohl auf moderne Philosophen wie Brandom, Tugendhat etc. hin. Daher ist der Kauf des Buches empfehlenswert!
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