Ein Jahrhundertroman über den Kampf zwischen Gut und Böse.
Eines Tages erhält ein Mann überraschend Besuch. Der verkündet ihm: «Claus Patera, absoluter Herr des Traumreichs, beauftragt mich als Agenten, Ihnen die Einladung zur Übersiedelung in sein Land zu überreichen.» Der Mann folgt der Einladung. Doch die Traumwelt entpuppt sich als Überwachungsstaat, in dem sich ein apokalyptischer Kampf anbahnt …
«Ein großer, düsterer Klassiker der phantastischen Literatur.» (Deutschlandradio Kultur)
Alfred Kubin, Illustrator und Zeichner, publizierte 1909 seinen Roman "Die andere Seite". Im Wesentlichen kann man den Roman vor-surrealistisch, post-schwarz-romantisch und eben phantastisch nennen, da der weitaus größte Teil des Romans vom Zerfall des Traumreiches und dem Kampf zwsichen "Gut" und "Böse" handelt, obschon ein Erkenntnisgewinn hieraus abgeleitet wird bzw. werden soll.
Inhaltlich nun schon vorweggenommen, geht es um einen Zeichner, der zusammen mit seiner Frau von einem ehemaligen Schulfreund, Patera ("Pater" = Vater), in dessen Traumreich eingeladen wird. Dort -bereits bei der Ankunft von der Sonne durch Wolkenschleier vernebelt und verdunkelt- leben sie "traumwandlerisch", vom "Uhrenbann" angezogen daher. Es geschehen Dinge und ein kapitalistischer Amerikaner, Herkules Bell, erscheint als Revolutionär, um das Traumreich zu unterjochen. Es kommt zum Untergang des Reiches und einem finalen Kampf...
"Die andere Seite" ist ein Konstrukt, dass nicht ganz einfach zu interpretieren ist. Die einen sehen hierin den bevorstehenden (also visionären) Untergang der k. u. k. Monarchie und die Traumreichhauptstadt Perle als Wien. Der Amerikaner ist wohl Sinnbild für Kriegssucht und Imperialismus, aber auch Machtgier und Meterialismus. Die Figur Patera ist nicht greifbar, eine Äquivokation, doch als Antithese zu Bell eine Figur des Spirituellen, des Friedens und der Ruhe (erwählt von den "Blauäuigen"). "Die andere Seite" könnte aber auch nur eine Allegorie des Unbewussten sein, der Roman demnach eine psychogrammatische Studie, denn das Kubins Kosmos kubinesk=abgründig ist, wissen wir von seinem Leben, seinen Zeichnungen, seinen Schriften. Sehr viele Bilder wirken eher intuitiv als konstruktiv, andere hingegen sehr intendiert (z.B. das Gespensterpfernd oder der König von Bayern, die hässliche Prinzessin von X). Ich würde den Roman auch eher als eine "psychonautische" Reise in Kubins Unbewusstes verstehen als eine "phantasierte" Analyse der Gesellschaft. Das Buch ist ein Potpourri der Sehnsüchte, Ängste und metaphorischen Introspektionen; keine Hermeneutik sondern bloße Intuition oder Assoziation des "Anderen", obschon durch die Narration eben auch z.T. Konstruktion. Sprachlich bleibt Kubin eher im Mittelmäßigen zu verorten. Teilweise sind Bilder und Ereignisse kaum noch nachvollziehbar. An einigen Stellen erzählt der Ich-Erzähler von Handlungen, die er eigentlich gar nicht wissen kann (mit Verlaub: schwerer Konsistenzfehler!). Man muss aufpassen, dass man dem Buche nicht das Prädikat trivial zuweist.
Der große Erkenntnisgewinn, sprich das Derivat der Geschichte ist "Der Demiurg ist ein Zwitter". Kubin evoziert die Dialektivkvon These und Antithese, dies erinnert in Ferne an Hesses Abraxas ("Demian"). Existenz ist und ist etwas anderes. Der Protagonist entwickelt kubineske Psychographiken: "Doch weit entfernt, mit dem Schicksal ausgesöhnt zu sein, führte ich im Grund ein Zwitterleben."
Manche Stellen wirken sehr kafkaesk, z.B. der Versuch des Protagonisten zu Patera zu gelangen. Wer weiß, wie sehr Kubin Kafka beeinflusste?
Insgesamt ein lesenswerter Klassiker. Aber vergleichsweise kein literarisches Meisterwerk!
Das Leben des österreichischen Grafikers und Illustrators Alfred Kubin (1877-1959) war geprägt von fast schon kurios anmutender Grausamkeit, von traumatischen Erlebnissen und Zurückweisung. Sein grafisches Werk, das dem Expressionismus zugeordnet wird, zeigt dies in einer Form, die selbst für Freud-unkundige Betrachter recht schnell zu deuten ist. Das grafische Werk ist gut aufgearbeitet, hat Kubin doch mit Texten von Voltaire, E. A. Poe oder Dostojewski vor allem Literatur von Weltrang illustriert.
Sein schriftstellerisches Vermächtnis aber fand und findet, außerhalb der germanistischen Literaturwissenschaft und einzelner interessierter Kreise, wenig Beachtung. Neben einigen Prosaskizzen und Kurzgeschichten existiert mit Die anderer Seite (1909) immerhin ein umfangreicher Roman, der als Meilenstein der deutschsprachigen Phantastik gelten kann. Dieser Roman ist durch und durch besonders, eine vergleichbare Handlung, eine vergleichbare Kuriositätensammlung habe ich selten gelesen: ein überreicher Europäer hat irgendwo in Zentralasien einen kleinen Staat gegründet, das Traumreich, in dem die Uhren buchstäblich anders ticken. Kausalitäten, wie wir sie kennen, sind hier außer Kraft gesetzt, die Moderne hat nie dort Einzug gehalten. Nur wenige werden vom Herrscher in das Land, von dem niemand genau weiß, wo es liegt, eingeladen. Was für den Protagonisten des Romans ein bis zu seinem Einzug ins Traumreich in Wien lebender Illustrator zunächst wie der ideale Fluchtort aus seinem langweilig-bürgerlichen Alltag aussieht, gerät außer Kontrolle und zu einem wahrhaftigen Alptraum
Alfred Kubin ist nicht in erster Linie Schriftsteller. Akkurates, kausales Erzählen beherrscht der Autor von Die andere Seite nicht auf die Art, wie es seine Zeitgenossen Kafka, James Joyce oder Hermann Hesse vermögen und angesichts des Stoffes des Romans wäre dies wohl kaum angemessen gewesen. Lesern sei dieser Text, den Kubin auch selbst wunderbar düster illustriert hat, in der Hardcover-Ausgabe der Bibliothek Suhrkamp empfohlen, die neben den vollständigen Illustrationen (die in der Taschenbuchausgabe fehlen!) ein Nachwort beinhaltet, das den Autor, sein Leben und sein Werk gut einzuordnen weiß. Für alle ernsthaft an phantastischer Literatur Interessierten ein Muss!
Ein Klassiker, der sich zu einen meiner Lieblingsbücher gemausert hat.
Der Ich-Erzähler erhält eine Einladung in das von seinem ehemaligen Studienfreund gegründete Traumreich, wo Besitz und Reichtum keine Rolle spielen und allesamt gleichbehandelt werden. Doch je länger der Aufenthalt in dieser scheinbar perfekten Gesellschaft andauert, desto unheilvoller werden so manche Begegnungen und es zeigt sich, dass Macht sowohl symbolische als auch wahrhaftige Monster hervorbringen kann.
Die Vereinigung von dunkler Phantastik und Gesellschaftskritik, dargebracht in einem düsteren Bilderrausch, hat nach über hundert Jahren nichts von seiner Wirkung verloren.
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