ZEIT-Kolumnist Harald Martenstein schreibt seit vielen Jahren immer wieder über sein Heimatland - manchmal mag er es, manchmal macht es ihn wütend, und manchmal muss er einfach nur lachen, genau wie seine Leser.
Seine Themen umfassen das ganze Spektrum des widersprüchlichen deutschen Wesens, von der Liebe zur Natur über die Liebe zum Auto und die Bereitschaft, sich an jedem Strand der Welt ungezwungen der Badehose zu entledigen bis zum penibel geregelten deutschen Bestattungswesen.
Dies sind die lustigsten Martenstein-Texte über Deutschland, ein paar nachdenkliche sind auch dabei.
„Deutschland und ich, wir beide kennen uns nun schon eine halbe Ewigkeit.“ Mit diesen Worten beginnt Harald Martenstein seine Sammlung an Texten über Deutschland. Er nennt „Drei Dinge, die ich an Deutschland mag: Die Jahreszeiten, die alten Damen in den Konditoreien, die Seen“, kann aber auch sagen, „Ich kenne aber auch seine Macken: Pedanterie, Jähzorn und seine Berliner“ und ist der Meinung „Deutschland sieht verdammt gut aus für sein Alter, Defizite bestehen im charakterlichen Bereich.“ Nach diesen einleitenden Gedanken erhält man als Hörer sechzehn weitere Titel, alle zwischen drei und fünf Minuten, in denen er sich dem widersprüchlichen Wesen der Deutschen widmet.
Ich kannte den ZEIT-Kolumnisten Harald Martenstein, der seit vielen Jahren immer wieder über sein Heimatland schreibt, bisher nicht. Als Kolumnist ist es ihm eigen seine eigene Meinung ungefiltert, ohne Blatt vor dem Mund, kund zu tun, und das bekommt man hier auch geboten. Ein „Fanblick wie eine Vierzehnjährige auf Justin Bieber“ auf Deutschland ist von ihm nicht zu erwarten, hier werden die Macken auf die Schippe genommen.
Wie bei jeder Sammlung konnte mich nicht jeder Beitrag völlig begeistern. So war die Lesereise z.B. nicht ganz so meines. Aber ich konnte oft schmunzeln und grinsen, so erfährt man z.B. beim Thema was die deutsche Leitkultur ausmacht, davon, dass er in Montenegro in der Hotelsauna mit einer „Mischung aus Abscheu Ekel und Verachtung“ angeschaut wurde und dann erst erkannte, dass er als einziger nackt ist. Ein Drittel aller Deutschen hat sich schon einmal nackt in der Öffentlichkeit gezeigt, das wusste ich ebenso nicht, wie dass es Nackt-Kreuzfahrten oder einen Nudistenlauf gibt. Ganz oft habe ich mir gedacht, ja ganz genau so ist es, wenn z.B. Fahrgäste im ICE von einem Toten auf den Gleisen noch den Verdienstausfall einfordern wollen, sich Mütter zuerst gar nicht kümmern und dann übermäßig für ihre Sprösslinge Partei ergreifen oder auch Straftäter mit Samthandschuhen angefasst werden. Besonders mutig fand ich seinen Blick auf die bisherigen Bundeskanzler, bei denen jeder eine Beschreibung bekommt. Hier reicht das Spektrum von „verwittertes Großväterchen“ über „einer ohne Basis in seiner Partei“ bis hin zu „prinzipienloser selbstverliebter Macho“. Ganz große Klasse auch seine Auswahlkriterien für den nächsten. Sargpflicht wird in Baden Württemberg zur Sargkaufpflicht und die Frage was pietätloser ist, wenn eine Urne zu Hause im Regal einstaubt oder jemand auf das Grab uriniert, wirklich besonders pointiert und gelungen habe ich auch den Abschnitt zum Bestattungswesen empfunden.
Sehr gut gefällt mir, dass der Autor dieses Hörbuch selbst eingelesen hat. Besser könnte wohl niemand wissen, wo es dem nötigen Sarkasmus, wo dem lächelnden Unterton oder auch der deutlich erkennbaren Entrüstung bedarf. Zudem hat Harald Martenstein eine äußerst angenehme Stimme, wovon bei mir auch immer ganz wesentlich der Hörgenuss abhängt. Ich habe ihm wirklich sehr gern zugehört.
Alles in allem auf jeden Fall hörenswert und auch wenn mich nicht alles voll begeistert hat, sind sehr gute vier Sterne und eine Empfehlung von meiner Seite drin.