»Ich wollte ein Sachbuch schreiben, aber es ist ein Entwicklungsroman geworden. Meine ganze Sicht aufs Leben hat sich geändert« Karen Duve.
Irgendwann beschloss Karen Duve, fortan anständig zu essen. Sie beschloss, ihre ganze Ernährung umzustellen. Aber wie? Grillhähnchenpfanne im Supermarkt für 2,99 Euro, weil es so schnell und lecker und praktisch ist? Damit sollte nun Schluss sein. Karen unternahm einen Selbstversuch, um herauszufinden, wie sie am besten gesund und ethisch korrekt einkaufen, kochen, essen und leben sollte. Sie verzichtete zwei Monate auf konventionell hergestellte Lebensmittel, dann zwei Monate auf Fleisch, anschließend auf alle tierisch hergestellten Produkte – und am Ende sogar auf Kartoffeln und Möhren, weil bei deren Ernte die Pflanzen zerstört werden. Sie stellt fest: Gewohnheiten zu verändern muss sich lohnen … Schonungslos und mit der ihr eigenen knochentrockenen Komik setzt sie sich jenseits aller Ideologien mit der Frage auseinander: Wie viel gönne ich mir auf Kosten anderer?
Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, lebt in der Märkischen Schweiz. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane Regenroman (1999), Dies ist kein Liebeslied (2002), Die entführte Prinzessin (2005) und Taxi (2008) waren Bestseller und sind in 14 Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch Anständig essen, 2014 ihre Streitschrift Warum die Sache schiefgeht. Die Verfilmung ihres Romans Taxi kam 2015 in die Kinos. 2016 sorgte sie mit ihrem Roman Macht für Aufruhr und wurde mit dem Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2017) ausgezeichnet. Für ihren Roman Fräulein Nettes kurzer Sommer (2018) wurde Karen Duve mit dem Carl-Amery-Preis, dem Düsseldorfer Literaturpreis und dem Solothurner Literaturpreis ausgezeichnet.
Das Buch ist wirklich super sie testet verschiedene Ernährungarten aus und nimmt den lese auf die Reise mit. Sehr informativ und vorallem sehr ehrlich, gefällt mir sehr.
naiv und inkonsequent
Bewertung am 12.04.2012
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Aufgeschreckt durch das Entsetzen einer Freundin beginnt Karen Duve, ihre Ernährung moralisch zu hinterfragen. Sie beschliesst, die verschiedenen Ernährungsformen selbst zu testen: zuerst nur Bio, dann vegetarisch, anschliessend vegan und zuletzt frutarisch. Ausschlaggebend für dieses Experiment ist nur der moralische Aspekt, nicht ein potentieller gesundheitlicher Vorteil. Offen beschreibt Duve die Probleme, die im Alltag durch die Ernährungsumstellungen entstehen, und liefert zu jeder Variante wissenswerte Fakten und Hintergrundinformationen.
Diese Erzählweise führt dazu, dass das Buch recht heterogen wirkt: unterhaltsame Anekdoten und sehr persönliche Erlebnisse wechseln sich ab mit Info-Kapitel, dazwischen ein paar Interviews, oberflächlich garniert mit ein paar moralisierenden Passagen. Das ist zwar ein Vorteil, weil sich diese Mischung recht flüssig liest, andererseits aber unbefriedigend, weil es weder dem Informationsbedürfnis des Lesers noch jenem nach Unterhaltung gerecht wird. Auch als Beschreibung eines Selbstversuchs funktioniert das Buch nur bedingt, da der Leser recht wenig über den neuen Speisezettel, veränderte Geschmacksgewohnheiten oder körperliche Auswirkungen der Ernährungsumstellungen erfährt.
Ich habe mich beim Lesen oft gewundert, ob Karen Duve wirklich derart naiv sein kann. Zumindest hat sie ein Konsumverhalten beschrieben, das bei mir nur Kopfschütteln auslöst. Wer darüber enttäuscht ist, dass eine Biotomate im Januar auch nicht mehr Geschmack hat als die normale aus dem Supermarkt, obwohl sie mehr kostet, hat von der Gemüseproduktion offenbar keine Ahnung. Dass in Gummibärchen (tierische) Gelatine drin ist, ist auch keine neue Erkenntnis. Und wenn Frau Duve einen halben Monat braucht, um zu merken, dass Cola light nicht nur aus Chemie besteht, obwohl auf jeder Flasche koffeinhaltiges Erfrischungsgetränk mit Pflanzenextrakten steht, dann ist das zwar unterhaltsam, führt aber zu akuten Zweifeln an ihrer Recherchearbeit.
Schlimmer als das unreflektierte Konsumverhalten fand ich aber, dass die Autorin ihre moralischen Grundsätze zwar Freunden und Familienmitgliedern um die Ohren haut, selbst aber nicht danach lebt. Vorhandene Gegenstände tierischer Herkunft (Lederschuhe, Daunenkissen) durch Produkte aus Kunststoff zu ersetzen, hilft den Tieren im Nachhinein nicht mehr und spricht nicht für einen ethischen, bewussten Umgang mit der Umwelt. Und die Klimaerwärmung, die durch Tierhaltung mitverursacht wird, als Argument für einen veganen Lebesstil anzuführen, aber regelmässig mit dem Auto ins 70 km entfernte Berlin zum Einkaufen fahren, weil es dort die besseren Bioläden gibt, zeugt entweder von einem recht begrenzten Denkvermögen oder von Heuchelei. Dass Karen Duve allerdings ehrlich beschreibt, wie sie immer wieder an ihrem eigenen moralischen Anspruch scheitert, und am Ende (welche Überraschung) zum Schluss kommt, dass eine ethisch völlig einwandfreie Ernährung gar nicht machbar ist, lässt das begrenzte Denkvermögen als die plausiblere Möglichkeit erscheinen. Aber das ist vielleicht gar nicht so tragisch, denn wie die Autorin selbst schreibt: Es gibt nämlich noch etwas Schlimmeres, als das Denken zu verweigern die Zusammenhänge zu kennen, ohne daraus die Konsquenzen zu ziehen.
Fazit: wer sich bereits ein paar grundlegende Gedanken über seine Ernährung gemacht hat, lernt nichts Neues. Und als Unterhaltungslektüre wirkt die Selbstbetrachtung von Karen Duve oft sehr bemüht. Manche der geschilderten Episoden sind durchaus amüsant, einige regen zum Nachdenken über eigene Gewohnheiten an, aber insgesamt lässt der schnoddrige, manchmal jammernde Erzählstil wenig Lesegenuss aufkommen.