Nachdem Bestseller-Autor Steven Pinker die Aufklärung verteidigt hat, zeigt er nun in seinem neuen Buch die Bedeutung von Rationalität. Denn nur mit ihr kann man sich orientieren in einer Welt, die aus den Fugen zu geraten droht. Durch Rationalität entdeckt der Mensch Naturgesetze, fliegt zum Mond und entwickelt in kürzester Zeit Impfstoffe. Auch wenn manche Menschen an Verschwörungstheorien und Fake-News glauben – der Mensch ist rational. Das unterscheidet ihn von allen anderen Lebewesen.
Steven Pinker verteidigt aber nicht nur die Rationalität und zeigt ihre Stärken auf; er erläutert auch die wichtigsten Werkzeuge für rationales Denken. Er führt den Leser durch die Grundlagen der Logik und des kritischen Denkens, er erklärt Wahrscheinlichkeit und die Rolle des Zufalls, das Verhältnis von Glaube und Evidenz, Risiko und Statistik. Nach diesem Grundkurs in Rationalität sind wir gewappnet, rationale Entscheidungen allein und mit anderen viel besser treffen zu können. Denn Rationalität ist immer noch das beste Werkzeug, um unser Schicksal in die Hand zu nehmen.
Wir irren uns ständig, das zeigt uns Stephen Pinker anhand der neuesten Forschungsergebnisse der kognitiven Psychologie auf. In meinem Psychologie-Studium haben ich alles über Wahrnehmungsfehler und Verzerrungen gelernt. Inzwischen wissen wir auch, dass Menschen alle möglichen logischen Fehler in ihrer Alltagskommunikation machen, was den Konsens über die Wahrheit zunehmend zerstört. Es gibt z.B. den Bestätigungsfehler, wir suchen Beweise für das was wir glauben und ignorieren alle Fakten, die unserem Glauben widersprechen. Das ist die Basis der Blasenkämpfe auf Facebook. Viel häufiger noch sind statistische Fehler, leider auch unter Wissenschaftler. Dass eine schöne Skala von Daten eine These mit Studien untermauert, ist noch lange keine Garantie für Fakten. Viele Forscher übersehen die Baseline der Häufigkeiten und lassen sich von revolutionären Neuentdeckungen blenden, die es sogar in berühmte Science-Zeitschriften schaffen, allerdings bald wieder in der Versenkung verschwinden, da die Daten nicht replizierbar sind. Wenn man eine Studie mit falschen Daten vergleicht und nicht mit den relevanten Basiszahlen, dann ist sie wertlos, bzw. falsch interpretiert. Auch statistische Verteilungen werden meist nicht verstanden, dies führt z.B. dazu, dass Ärzte die Gefahren einer Krankheit meist überschätzen und damit die Patienten unnötig ängstigen. Das Brustkrebs-Screening von Frauen ist zwar sinnvoll, führt aber zu mehr Fehleinschätzungen als Treffern. Von 100 positiven Krebsbefunden sind 89 falsch positiv, nur 9 erfassen tatsächlich Krebskranke, eine Krebskranke wird übersehen, ein Befund bleibt unklar. Dies hat mit den statistischen Fehlern zu tun, die Nicht-Statistiker nicht verstehen, die aber unvermeidbar sind. Natürlich geben das Ärzte nicht gerne zu, denn es würde ihre Vorsorgebemühungen hintertreiben. Das Krebs-Screening rettet 9 von 10 Krebskranken das Leben, also ist es sinnvoll. 10mal so viele Gesunde bekommen allerdings einen unnötigen Schock und Sensible werden deswegen u.U. psychisch krank. Wenn ein Arzt sensibel mit diesem Wissen umgeht, fängt er das auf. Manche Götter in Weiß greifen aber gern zu unnötigen Prognose-Schocks, um Patienten zu disziplinieren und reflektieren nicht, was sie damit anrichten.
Wissenschaftliche Wahrheit entsteht also nicht allein durch Studien. Jede Studie muss durch Logiker und statistisch Geschulte auf logische Fehler untersucht werden und fehlerhafte Studien müssen verworfen werden. Das beliebte Spiel „Aber die Studie XY beweist, dass…“ ist meist ein sinnloses Geschwafel, das in Talk-Shows gespielt wird, um Gegner niederzureden, aber ist eben das Gegenteil von wissenschaftlicher Rationalität.
Schuld an unserer Fehleranfälligkeit ist, dass unser Gehirn mit einer Misch-Einschätzung arbeitet, die auf 2 Systemen beruht. Einerseits haben wir unser logisches Denken, das mit exakten Formeln arbeitet und Fehler beinhart aufdeckt. Diese formalen Formeln müssen aber durch erlebte Umweltbezüge konkretisiert werden, dass sie uns im Alltag auch nutzen. Hier arbeitet unser Gehirn mit erlebten Wahrscheinlichkeiten, die es zu Mustern, sprich Vorurteilen vereinfacht hat. Wahrheit entsteht nur dann, wenn Fakten durch beide Systeme überprüft werden. Eine abstrakte Formel ist wertlos, wenn sie nicht mit konkretem Erleben gefüllt wird. Unser bildhaftes Denken wiederum führt uns oft in die Irre, wenn wir das scheinbar Richtige nicht durch Logik überprüfen.
Die kognitive Psychologie, die Pinker in Harvard unterrichtet, plädiert also dafür, die ewigen Streitigkeiten über die Wahrheit zu beenden, indem man alle Daten und Wahrnehmungen einem doppelten Faktencheck unterzieht:
1. Ist die These vor dem Hintergrund des Erlebten plausibel?
2. Ist die These frei von jedem logischen Denkfehler und von jeder Wahrnehmungsverzerrung?
Nur wenn dies eingehalten, mehrmals überprüft wird und wiederholt zum gleichen Ergebnis führt, kann man dann von wissenschaftlichen Fakten sprechen.
Dr. Rüdiger Opelt, Autor von „Problem Zukunft. Es kommt anders, als man denkt“
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