Marc lebt mit seiner Schwägerin Diana in einer Stadt am Meer und kümmert sich seit dem Tod ihres Mannes leicht manisch, aber liebenswert um sie. Eines Tages findet er am Strand drei prallvolle Päckchen mit Koks. Er möchte die Ware für gutes Geld verkaufen, doch bald läuft alles aus dem Ruder. Freundschaften zerschellen, Liebe flirtet mit Verbrechen - und mitten aus dem Chaos erwachsen überraschende neue Bindungen und Gefühle.
Philippe Dijan war in den 80ern ein Literaturstar, von dem ich sogar damals Teenie gehört hatte (zumindest an der Verfilmung von „Betty Blue“ gab es kein Vorbeikommen ), und ihm umgab die Aura des Rebellen. Und wenn man im Umschlag das Autorenfoto anschaut – das ist schon einige Jahrzehnte alt und soll wohl an dieses Image erinnern….
Okay, und ich gestehe, das ist jetzt tatsächlich das erste Buch, dass ich von Herrn Dijan lese. Und ich hatte eine gewisse Erwartungshaltung an Love’n’Sex’Rock’n’Roll : einmal generell vom Autor, zum anderen klingt der Klappentext echt super interessant.
Hierum geht’s: Diana, etwa 50, Zahnärztin, attraktiv, halbwegs erfolgreich, hat bei einem Anschlag ihren Mann Patrick verloren. Seitdem ist etwas in ihr zerbrochen, sie hat schon mehrere Selbstmordversuche begangen, und ihr 20 Jahre jüngerer Schwager Marc ist bei ihr eingezogen, um ein Auge auf sie zu haben. Marc selbst ist jetzt auch nicht unbedingt die stabilste aller Personen, aber er hat zumindest harte Drogen zugunsten Alkohols aufgegeben. Eines Morgens findet er am Strand 3 Päckchen Kokain, die er natürlich einsackt und sich schon vorstellt, dass der Erlös ihn von allen Spielschulden befreien wird. Beim Verchecken soll ihm Schwager Joel helfen. Blöderweise hat Joel gerade aber andere Schwierigkeiten am Laufen, es gibt da eine Leiche, die verschwinden muss…..und in all dem Schlammassel startet Diana dann einen weitere Suizidversuch…. Es läuft alles aus dem Ruder und das Chaos regiert. „Freundschaften zerschellen, Liebe flirtet mit Verbrechen – und mitten aus dem Chaos erwachsen überraschende neue Bindungen und Gefühle“, sagt der Klappentext.
Also vom Plot her ziemlich cool. Ich mag skurrile Stories, und interessante Charaktere.
Von der Umsetzung her hat mich das Buch leider völlig geschafft. Es ist ein schmales Bändchen, knappe 200 Seiten, mit gefühlt auch einer recht grossen Schrift. Und jetzt kommt das Rebellische des Autors: wir haben keinerlei Unterteilungen in Kapitel, und auch Satzzeichen sind völlig überbewertet. Es gibt super viel Dialoge, innere wie äussere, die ohne Gänsefüsschen aneinandergereiht sind. Auch gibt es kaum Absätze. Es ist für mich absolut anstrengend zu lesen. Ich stelle fest: ich bin kein literarischer Rebell, ich liebe Ordnung beim Lesen. Manche Passagen musste ich doppelt lesen, um zu kapieren, wer jetzt hier was sagt / fühlt/ tut, und das ist ein bisschen doof. Oder ich bin zu blöd, könnte man ja auch argumentieren.
Also, ich halte fest: interessante Idee, für mich aber falsch umgesetzt. Ich könnte mir hierbei sogar vorstellen, dass die Story als Film echt gut funktionieren würde. Rasanter, cooler Plot, vor der atemberaubenden Kulisse einer französischen Stadt am Meer, und Charaktere, die was hergeben. Während die 200 Seiten im Buch den einzelnen Protagonisten in ihrer Einzigartigkeit überhaupt nicht gerecht werden können und die inneren Konflikte nur angerissen werden, wäre das in einem Film brilliant darstellbar mit den richtigen Schauspielern. Schon allein Diana, die am Tod ihres Mannes zerbricht und ihr eigenes Leben komplett in Frage stellt – das ist ne Heldin mit extrem viel Tiefgang. Aber in dem Büchlein kriegt sie einfach kein richtiges Gesicht. Finde ich. Oder die vielen Randfiguren wie zB Serge, notorischer Ehebrecher, und seine Frau, von der man nicht viel mehr weiss, als dass sie gutes Gras anbaut, und dann in einem Nebensatz ein übler Unfall von ihr erwähnt wird, der ihr lebenslange chronische Schmerzen beschert hat, gegen die sie „anraucht“. Und dann denke ich mir, boah, das ist ein Schicksal, warum erfährt man nicht mehr? Erwähnt wird die Dame durchaus öfters, aber man erfährt nix mehr von ihr. Etc pp.
Mein Fazit: meine Erwartungen an Rock’n’Roll sind durchaus erfüllt worden, aber anders als gedacht. Und mir hat es dann nicht wirklich Spass gemacht, zu lesen. Schade.
Philippe Dijan - Die Ruchlosen
Miss.mesmerized am 25.08.2021
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Nach dem Tod seines älteren Bruders zieht Marc zu seiner Schwägerin Diana, die bereits wiederholt versucht hatte sich das Leben zu nehmen. Sie haben sich einigermaßen eingerichtet, als Marc unerwartet eines Morgens am Strand mehrere Kokainpäckchen findet, ausgerechnet jetzt, wo er den harten Drogen entsagt und sich ganz auf Alkohol eingestellt hat. Er wittert jedoch ein gutes Geschäft und wendet sich an Joël, Dianas Bruder, mit dem sie schon seit Jahrzehnten nicht mehr spricht, der jedoch für Marc einen Abnehmer wird finden können. Keiner der drei ist psychisch stabil, alle haben sie mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen und das fragile Gleichgewicht, das sie in Sicherheit wähnt, gerät bald ins Schwanken und droht sie in den Abgrund zu reißen.
„Das ist, wie wenn. man Aspirin mit auf eine Reise nimmt, erklärte er und hielt ihm die Waffe hin, nur für den Fall dass.“
Philippe Dijan zeichnet in seinem Roman Figuren am Rande des Wahnsinns. Die Schicksalsschläge, die sie erleben, bringen sie an die Grenzen dessen, was sie aushalten können. Neigungen zu Suizid, Betäubungsmitteln aller Art und vor allem Aggressionen sind eine schlechte Grundlage, um den nächsten Schlag auch noch aushalten zu können. Und so geschieht das, was zwangsweise geschehen muss: die Lage eskaliert und man kann nur zusehen, wie sie sich immer weiter ins Nichts stürzen und völlig blind agieren.
Es ist das Psychogramm des verzweifelten Deliriums. Diana hat den Verlust Patricks nicht verarbeitet, im Leben und der Arbeit als Zahnärztin sieht sie keinen Sinn mehr. Auch ihre Affäre mit Serge, Sohn des Bürgermeisters und notorischer Fremdgeher, bleibt eher emotionslos und nur physisch befriedigend, wobei auch das nicht immer. Gleichmütig betrachtet sie, was mit um sie herum geschieht, ohne dies wirklich wahrzunehmen.
Joël hat ebenfalls jede Kontrolle verloren und geht im Rausch weit über das hinaus, was mit gesundem Menschenverstand nachvollziehbar ist, nur um dann zutiefst zu bereuen. Für Serge sind die Frauen, die er exzessiv sammelt, die Drogen der Wahl und das, obwohl er seine Ehefrau und Kinder eigentlich liebt.
Marc steht zwischen den Stühlen, auch er oft unkontrolliert und zu schnell Hochprozentigem zusagend bleibt letztlich doch noch die Figur mit der meisten Kontrolle und auch derjenige, der als einziger erkennt, wie sich alle um ihn herum völlig verloren haben.
Dijans Figuren sind oft jenseits des Spektrums des Erträglichen, auch „Die Ruchlosen“ überschreiten alle Grenzen, wobei man jedoch tatsächlich nachvollziehen kann, weshalb dies geschieht und es einen nicht wirklich wundert, wie ihnen alles entgleitet. Kein leichter Sommerroman, sondern harte Realität verzweifelter Menschen, denen jeder Lebenssinn abhandengekommen ist.