Der Schlafwagendiener

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ab 22,99 €

Beschreibung

Details

Verkaufsrang

19435

Einband

Gebundene Ausgabe

Erscheinungsdatum

17.08.2023

Verlag

Wagenbach, K

Seitenzahl

240

Maße (L/B/H)

21,6/14,1/2,7 cm

Beschreibung

Details

Verkaufsrang

19435

Einband

Gebundene Ausgabe

Erscheinungsdatum

17.08.2023

Verlag

Wagenbach, K

Seitenzahl

240

Maße (L/B/H)

21,6/14,1/2,7 cm

Gewicht

404 g

Originaltitel

The Sleeping Car Porter

Übersetzt von

Anne Emmert

Sprache

Deutsch

ISBN

978-3-8031-3357-1

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Schlaflos von Montreal nach Vancouver

Bewertung am 11.11.2023

Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Unermüdlich hört man beim Lesen die Räder des Zuges rollen von Montreal nach Vancouver. Unermüdlich schuftet auch Baxter Tag und Nacht als Schlafwagendiener. So wie der Zug nur kurz Halt macht, sind auch ihm nur kurze Pausen gegönnt, die nicht ausreichen, um den permanenten Schlafmangel wettzumachen, der ihm mit jedem Kilometer mehr Halluzinationen beschert. Doch er muss wach sein, ständig auf der Hut sein, denn ein Verstoß gegen die Dienstvorschriften könnten seinen Traum vom Zahnmedizinstudium zerstören. Und die Vorschriften sind nicht nur streng, sondern auch oft widersinnig. »Verhalte dich im Zug wie ein Automat auf dem Rummelplatz … Setz dieses besondere Lächeln auf, je breiter, desto besser, drück auf den Knopf, schalt es ein, aber gib nicht den Onkel Tom. Nicht grinsen. Singe, tanze, mache Zaubertricks, wenn sie dich darum bitten. Vielleicht auch noch was anderes, falls es genug Geld bringt.« S.214 1929 – Baxter hat 967 Dollar gespart von dem kläglichen Trinkgeld, das er auf seinen Fahrten bekommen hat. Doch man kann es den anspruchsvollen, nörgeligen Passagieren kaum Recht machen. Egal wie unsichtbar er sich macht, die fehlenden 101 Dollar zu bekommen, ist unrealistischer als wegen ein paar haarsträubende Beschwerden den Job zu verlieren. Und die wohlhabenden Fahrgäste schikanieren ihn, wo sie nur können. Dann findet er eine Postkarte, auf der zwei Männer in einer eindeutigen Pose zu sehen sind, doch statt sie wegzuschmeißen, wirft er in den schlaflosen Nächten immer wieder einen sehnsüchtigen Blick darauf. Zu allem Überfluss versperrt eine Schlammlawine die Gleise, sicher wird man sich auch dafür über Baxter beschweren und er kann sein Studium vergessen. Mayrs gut recherchierter historischer Roman wird aus der Perspektive eines Schwarzen, schwulen Mannes erzählt, dem Rassismus und Homophobie entgegenschlägt, der nicht nur die ständigen Erniedrigungen weglächeln muss, sondern von Hunger und Schlafmangel geplagt wird. Dazu bevölkert Mayr den Zug mit allerlei skurrilen Figuren, deren schmutzige Geheimnisse nach und nach ans Licht kommen. Die ihn mit ihren teils absurden Wünschen immer wieder aus seiner Unsichtbarkeit locken und zur Gefahr für sein Strafpunktekonto werden. Um sich zu schützen, baut er eine Distanz zu ihnen auf, indem er ihnen Namen wie Papier und Pappe, Mango oder Spinne gibt. So verpackt Mayr ein schweres Thema hinter tragisch komischen Szenen, die dem ganzen Roman eine gewisse Leichtigkeit verschaffen. Dennoch verliert man als Leser nie aus den Augen, dass Baxter seine eigenen Bedürfnisse ständig zurückstellt, ob nun sexuell oder nach Schlaf und Essen. Gerade der Schlafmangel ist ein zentrales Thema, das sich mit der Zeit zuspitzt, in Halluzinationen gipfelt, sodass man als Leser*in quasi mit ihm leidet. Ich hatte das Gefühl, als sei der Zug über die Jahre zu Baxters Escape-Room geworden, dem er kaum entkommen kann, während die Weißen um ihn herum ein- und aussteigen und er immer wieder zurückbleibt. In meinen Augen großartig gemacht von Mayr, sowohl stilistisch als auch metaphorisch mit einer dichten, teils karikativen Atmosphäre. Persönlich berührt mich das immer sehr tief, wenn es um Diskriminierung und Rassismus geht, auch dieses Buch sticht immer wieder in meine empfindlichen Stellen, fühlte sich aber mit seiner leichten Art nicht so schwer und belastend an, wie ich zu Beginn dachte. Ein wunderbarer, bildreicher Roman mit einem charmanten, außergewöhnlichen Protagonisten, den ich sehr gern auf der Zugfahrt begleitet habe.

Schlaflos von Montreal nach Vancouver

Bewertung am 11.11.2023
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Unermüdlich hört man beim Lesen die Räder des Zuges rollen von Montreal nach Vancouver. Unermüdlich schuftet auch Baxter Tag und Nacht als Schlafwagendiener. So wie der Zug nur kurz Halt macht, sind auch ihm nur kurze Pausen gegönnt, die nicht ausreichen, um den permanenten Schlafmangel wettzumachen, der ihm mit jedem Kilometer mehr Halluzinationen beschert. Doch er muss wach sein, ständig auf der Hut sein, denn ein Verstoß gegen die Dienstvorschriften könnten seinen Traum vom Zahnmedizinstudium zerstören. Und die Vorschriften sind nicht nur streng, sondern auch oft widersinnig. »Verhalte dich im Zug wie ein Automat auf dem Rummelplatz … Setz dieses besondere Lächeln auf, je breiter, desto besser, drück auf den Knopf, schalt es ein, aber gib nicht den Onkel Tom. Nicht grinsen. Singe, tanze, mache Zaubertricks, wenn sie dich darum bitten. Vielleicht auch noch was anderes, falls es genug Geld bringt.« S.214 1929 – Baxter hat 967 Dollar gespart von dem kläglichen Trinkgeld, das er auf seinen Fahrten bekommen hat. Doch man kann es den anspruchsvollen, nörgeligen Passagieren kaum Recht machen. Egal wie unsichtbar er sich macht, die fehlenden 101 Dollar zu bekommen, ist unrealistischer als wegen ein paar haarsträubende Beschwerden den Job zu verlieren. Und die wohlhabenden Fahrgäste schikanieren ihn, wo sie nur können. Dann findet er eine Postkarte, auf der zwei Männer in einer eindeutigen Pose zu sehen sind, doch statt sie wegzuschmeißen, wirft er in den schlaflosen Nächten immer wieder einen sehnsüchtigen Blick darauf. Zu allem Überfluss versperrt eine Schlammlawine die Gleise, sicher wird man sich auch dafür über Baxter beschweren und er kann sein Studium vergessen. Mayrs gut recherchierter historischer Roman wird aus der Perspektive eines Schwarzen, schwulen Mannes erzählt, dem Rassismus und Homophobie entgegenschlägt, der nicht nur die ständigen Erniedrigungen weglächeln muss, sondern von Hunger und Schlafmangel geplagt wird. Dazu bevölkert Mayr den Zug mit allerlei skurrilen Figuren, deren schmutzige Geheimnisse nach und nach ans Licht kommen. Die ihn mit ihren teils absurden Wünschen immer wieder aus seiner Unsichtbarkeit locken und zur Gefahr für sein Strafpunktekonto werden. Um sich zu schützen, baut er eine Distanz zu ihnen auf, indem er ihnen Namen wie Papier und Pappe, Mango oder Spinne gibt. So verpackt Mayr ein schweres Thema hinter tragisch komischen Szenen, die dem ganzen Roman eine gewisse Leichtigkeit verschaffen. Dennoch verliert man als Leser nie aus den Augen, dass Baxter seine eigenen Bedürfnisse ständig zurückstellt, ob nun sexuell oder nach Schlaf und Essen. Gerade der Schlafmangel ist ein zentrales Thema, das sich mit der Zeit zuspitzt, in Halluzinationen gipfelt, sodass man als Leser*in quasi mit ihm leidet. Ich hatte das Gefühl, als sei der Zug über die Jahre zu Baxters Escape-Room geworden, dem er kaum entkommen kann, während die Weißen um ihn herum ein- und aussteigen und er immer wieder zurückbleibt. In meinen Augen großartig gemacht von Mayr, sowohl stilistisch als auch metaphorisch mit einer dichten, teils karikativen Atmosphäre. Persönlich berührt mich das immer sehr tief, wenn es um Diskriminierung und Rassismus geht, auch dieses Buch sticht immer wieder in meine empfindlichen Stellen, fühlte sich aber mit seiner leichten Art nicht so schwer und belastend an, wie ich zu Beginn dachte. Ein wunderbarer, bildreicher Roman mit einem charmanten, außergewöhnlichen Protagonisten, den ich sehr gern auf der Zugfahrt begleitet habe.

Fahr lieber mit der Bundesbahn

Christian1977 aus Leipzig am 15.09.2023

Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Kanada, im Jahre 1929: Schlafwagendiener Baxter rattert im Nachtzug von Montréal nach Vancouver. Mit ihm an Bord sind unter anderem ein Schauspieler, eine Schriftstellerin, ein Medium und eine Oma mit ihrer Enkelin. Niemand der Fahrgäste kennt den Traum des Dieners. Denn Baxter nimmt diesen Knochenjob nur in Kauf, weil er auf sein Zahnmedizinstudium spart. Bis dahin heißt es also Schuhe wienern, die Toilette putzen und manchmal sogar - natürlich heimlich - sexuelle Dienstleistungen übernehmen. Wobei Baxter noch mehr verheimlichen muss, denn er steht im gesellschaftlichen System nicht nur wegen seiner Hautfarbe ganz unten, sondern ist zudem auch noch homosexuell. Als der Zug jäh durch eine Schlammlawine gebremst wird, überwältigt der Schlafmangel Baxter immer stärker. Geplagt von Halluzinationen sehnt der Schlafwagendiener das Ende der Reise herbei - wohl das Einzige, was ihn mit den Fahrgästen eint.... "Der Schlafwagendiener" ist der sechste Roman der kanadischen Autorin Suzette Mayr, der kürzlich in der Übersetzung aus dem Englischen von Anne Emmert bei Wagenbach erschienen ist. Es ist erst der zweite Roman Mayrs, der auf Deutsch übersetzt wurde. Hoffentlich nicht der letzte, denn 2022 erhielt sie für ihn den renommierten kanadischen Giller Prize. Liest man etwas von einem Schlafwagen, mag einen selbst gleich die Müdigkeit überfallen. Bei Suzette Mayr ist das hingegen ausgeschlossen, denn die Autorin wirft die Leserschaft sofort hinein in eine schier unglaubliche Hektik. Gemeinsam mit Baxter wird hier noch die letzte Koje vorbereitet, während dort schon der erste Fahrgast wartet. Wann trifft der Zug wo ein, wann fahren wir endlich ab und wo, verdammt nochmal, ist eigentlich mein Abteil? In diesem Stil merkt man von Beginn an, welch aufreibenden Job Baxter und seine Kollegen dort verrichten müssen. Passend dazu setzt Mayr auf das erzählerische Präsens, das immer eine besondere Unmittelbarkeit ausdrückt. Dabei befinden wir uns bisher lediglich im "Vorher", einem langen Epilog, der den Protagonisten seinem Publikum näher vorstellt. Und dieser Baxter ist zweifelsohne ein Sympathieträger. Nach außen hin erträgt er stoisch sämtliche Erniedrigungen und Demütigungen, doch innerlich brodelt auch er. Wir werden diesen Baxter den gesamten Roman über nicht aus den Augen verlieren. Keine Szene funktioniert ohne ihn, und wir wissen über die Fahrgäste immer genau das, was auch Baxter weiß. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist von Suzette Mayr äußerst klug konzipiert, denn dadurch wachsen nicht nur Sympathie und Empathie für den Helden, sondern es sorgt auch für Spannung, da man nie weiß, was hinter welcher Tür eigentlich gerade geschieht. Es sei denn, Baxter blickt hinein... Da können die Nebenfiguren nicht ganz mithalten, sollen sie wahrscheinlich aber auch gar nicht. Denn zwischen ihnen und Baxter herrscht so etwas wie eine wechselseitige Anonymität. Baxter ist für die meisten Passagiere nur "Diener", "George" oder "Boy" und fühlt sich bisweilen als Möbelstück, während er seinerseits jeden der Passagiere mit Spitznamen belegt, sei es nun "Pudding", "Mango" oder "Pappe und Papier". Eine Ausnahme bildet die kleine Esme, das einzige Kind, das im Roman auftaucht. Das Mädchen, das gerade seine Mutter verloren hat, weicht dem Schlafwagendiener ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr von der Seite und wird dadurch zu einer zweiten Sympathieträgerin. Die anderen Figuren wirken bisweilen etwas eindimensional oder überspitzt, wobei einige von ihnen im Finale durchaus noch zu überraschen wissen. Züge sind ja oftmals ein dankbares Setting für gute Romane, wie beispielsweise zuletzt auch "Wunderkind Erjan" von Hamid Ismailov oder "Was geschieht in der Nacht" von Peter Cameron. So auch hier, wo im Hauptstrang der Zug bzw. sein Umfeld sogar überhaupt nicht verlassen werden. Fernab jeglicher Eisenbahnromantik sollte Suzette Mayr somit auch passionierte Bahnfahrer:innen ansprechen. Und dennoch kommt nicht nur der Zug zwischenzeitlich zum Stillstand, sondern auch die Dynamik des Romans. Die Fahrgäste wenden sich mit immer den gleichen Fragen und Problemen an Baxter, was nicht nur ihn, sondern auch die Leser:innen zunehmend nervt. Hier hätte dem "Schlafwagendiener" eine Straffung oder andere Entwicklung gut getan. Hinzu kommt, dass von den zahlreich eingesetzten bildhaften Vergleichen nicht jeder gleichermaßen passt. Insbesondere die anfänglich immer wiederkehrenden Eisenbahn-Bilder wirken teilweise etwas bemüht oder repetitiv. Das ist allerdings Kritik auf hohem Niveau, denn im Finale legt nicht nur der Zug noch einmal zu, sondern auch Suzette Mayr. Nachdem die Leserschaft eine recht alberne Séance ertragen musste, besinnt sich der Roman nämlich seiner Stärken: der Empathie, Solidarität und Warmherzigkeit, die Mayr mit dem Buch Minderheiten entgegenbringt. Sicherlich sah man schon Schlafwagendiener in Filmen durchs Bild huschen, aber wer schrieb jemals so ernsthaft und ausführlich über sie? Zeitgleich behandelt Mayr auch heute noch gesellschaftlich wichtige Themen wie Rassismus und den Umgang mit Homosexualität, der in der historischen Perspektive aufgrund der Strafbarkeit ungleich dramatischer war. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch die sage und schreibe drei Seiten lange Literaturliste, die Mayr bei der Recherche für das Schreiben eines Romans (!) aufgewendet hat. Dies unterstreicht, wie sehr ihr dieses Thema am Herzen lag und sorgt für zahlreiche zusätzliche Sympathiepunkte. Erwähnt werden sollte auch die formal liebevolle Aufmachung. Da gibt es die Jobanzeige für Schlafwagendiener, den Aufbau eines Waggons oder auch mal ein kleines Schriftbild, wenn die ihrerseits kleine Esme etwas flüstert. Insgesamt ist "Der Schlafwagendiener" eine liebevolle und unterhaltsame Zugreise in eine Zeit, in der sich in Kanada ein Schwarzer darüber Gedanken machen musste, ob er in einer öffentlichen Toilette neben einem Weißen stehen darf. In eine Zeit, in der ein Diener in einem Zug den Dreck anderer Menschen entfernen musste, ohne dafür kaum mehr als ein mickriges Trinkgeld zu erhalten. Und in eine Zeit, in der ein Homosexueller für Sexualkontakte mit anderen Männern ins Gefängnis musste.

Fahr lieber mit der Bundesbahn

Christian1977 aus Leipzig am 15.09.2023
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)

Kanada, im Jahre 1929: Schlafwagendiener Baxter rattert im Nachtzug von Montréal nach Vancouver. Mit ihm an Bord sind unter anderem ein Schauspieler, eine Schriftstellerin, ein Medium und eine Oma mit ihrer Enkelin. Niemand der Fahrgäste kennt den Traum des Dieners. Denn Baxter nimmt diesen Knochenjob nur in Kauf, weil er auf sein Zahnmedizinstudium spart. Bis dahin heißt es also Schuhe wienern, die Toilette putzen und manchmal sogar - natürlich heimlich - sexuelle Dienstleistungen übernehmen. Wobei Baxter noch mehr verheimlichen muss, denn er steht im gesellschaftlichen System nicht nur wegen seiner Hautfarbe ganz unten, sondern ist zudem auch noch homosexuell. Als der Zug jäh durch eine Schlammlawine gebremst wird, überwältigt der Schlafmangel Baxter immer stärker. Geplagt von Halluzinationen sehnt der Schlafwagendiener das Ende der Reise herbei - wohl das Einzige, was ihn mit den Fahrgästen eint.... "Der Schlafwagendiener" ist der sechste Roman der kanadischen Autorin Suzette Mayr, der kürzlich in der Übersetzung aus dem Englischen von Anne Emmert bei Wagenbach erschienen ist. Es ist erst der zweite Roman Mayrs, der auf Deutsch übersetzt wurde. Hoffentlich nicht der letzte, denn 2022 erhielt sie für ihn den renommierten kanadischen Giller Prize. Liest man etwas von einem Schlafwagen, mag einen selbst gleich die Müdigkeit überfallen. Bei Suzette Mayr ist das hingegen ausgeschlossen, denn die Autorin wirft die Leserschaft sofort hinein in eine schier unglaubliche Hektik. Gemeinsam mit Baxter wird hier noch die letzte Koje vorbereitet, während dort schon der erste Fahrgast wartet. Wann trifft der Zug wo ein, wann fahren wir endlich ab und wo, verdammt nochmal, ist eigentlich mein Abteil? In diesem Stil merkt man von Beginn an, welch aufreibenden Job Baxter und seine Kollegen dort verrichten müssen. Passend dazu setzt Mayr auf das erzählerische Präsens, das immer eine besondere Unmittelbarkeit ausdrückt. Dabei befinden wir uns bisher lediglich im "Vorher", einem langen Epilog, der den Protagonisten seinem Publikum näher vorstellt. Und dieser Baxter ist zweifelsohne ein Sympathieträger. Nach außen hin erträgt er stoisch sämtliche Erniedrigungen und Demütigungen, doch innerlich brodelt auch er. Wir werden diesen Baxter den gesamten Roman über nicht aus den Augen verlieren. Keine Szene funktioniert ohne ihn, und wir wissen über die Fahrgäste immer genau das, was auch Baxter weiß. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist von Suzette Mayr äußerst klug konzipiert, denn dadurch wachsen nicht nur Sympathie und Empathie für den Helden, sondern es sorgt auch für Spannung, da man nie weiß, was hinter welcher Tür eigentlich gerade geschieht. Es sei denn, Baxter blickt hinein... Da können die Nebenfiguren nicht ganz mithalten, sollen sie wahrscheinlich aber auch gar nicht. Denn zwischen ihnen und Baxter herrscht so etwas wie eine wechselseitige Anonymität. Baxter ist für die meisten Passagiere nur "Diener", "George" oder "Boy" und fühlt sich bisweilen als Möbelstück, während er seinerseits jeden der Passagiere mit Spitznamen belegt, sei es nun "Pudding", "Mango" oder "Pappe und Papier". Eine Ausnahme bildet die kleine Esme, das einzige Kind, das im Roman auftaucht. Das Mädchen, das gerade seine Mutter verloren hat, weicht dem Schlafwagendiener ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr von der Seite und wird dadurch zu einer zweiten Sympathieträgerin. Die anderen Figuren wirken bisweilen etwas eindimensional oder überspitzt, wobei einige von ihnen im Finale durchaus noch zu überraschen wissen. Züge sind ja oftmals ein dankbares Setting für gute Romane, wie beispielsweise zuletzt auch "Wunderkind Erjan" von Hamid Ismailov oder "Was geschieht in der Nacht" von Peter Cameron. So auch hier, wo im Hauptstrang der Zug bzw. sein Umfeld sogar überhaupt nicht verlassen werden. Fernab jeglicher Eisenbahnromantik sollte Suzette Mayr somit auch passionierte Bahnfahrer:innen ansprechen. Und dennoch kommt nicht nur der Zug zwischenzeitlich zum Stillstand, sondern auch die Dynamik des Romans. Die Fahrgäste wenden sich mit immer den gleichen Fragen und Problemen an Baxter, was nicht nur ihn, sondern auch die Leser:innen zunehmend nervt. Hier hätte dem "Schlafwagendiener" eine Straffung oder andere Entwicklung gut getan. Hinzu kommt, dass von den zahlreich eingesetzten bildhaften Vergleichen nicht jeder gleichermaßen passt. Insbesondere die anfänglich immer wiederkehrenden Eisenbahn-Bilder wirken teilweise etwas bemüht oder repetitiv. Das ist allerdings Kritik auf hohem Niveau, denn im Finale legt nicht nur der Zug noch einmal zu, sondern auch Suzette Mayr. Nachdem die Leserschaft eine recht alberne Séance ertragen musste, besinnt sich der Roman nämlich seiner Stärken: der Empathie, Solidarität und Warmherzigkeit, die Mayr mit dem Buch Minderheiten entgegenbringt. Sicherlich sah man schon Schlafwagendiener in Filmen durchs Bild huschen, aber wer schrieb jemals so ernsthaft und ausführlich über sie? Zeitgleich behandelt Mayr auch heute noch gesellschaftlich wichtige Themen wie Rassismus und den Umgang mit Homosexualität, der in der historischen Perspektive aufgrund der Strafbarkeit ungleich dramatischer war. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch die sage und schreibe drei Seiten lange Literaturliste, die Mayr bei der Recherche für das Schreiben eines Romans (!) aufgewendet hat. Dies unterstreicht, wie sehr ihr dieses Thema am Herzen lag und sorgt für zahlreiche zusätzliche Sympathiepunkte. Erwähnt werden sollte auch die formal liebevolle Aufmachung. Da gibt es die Jobanzeige für Schlafwagendiener, den Aufbau eines Waggons oder auch mal ein kleines Schriftbild, wenn die ihrerseits kleine Esme etwas flüstert. Insgesamt ist "Der Schlafwagendiener" eine liebevolle und unterhaltsame Zugreise in eine Zeit, in der sich in Kanada ein Schwarzer darüber Gedanken machen musste, ob er in einer öffentlichen Toilette neben einem Weißen stehen darf. In eine Zeit, in der ein Diener in einem Zug den Dreck anderer Menschen entfernen musste, ohne dafür kaum mehr als ein mickriges Trinkgeld zu erhalten. Und in eine Zeit, in der ein Homosexueller für Sexualkontakte mit anderen Männern ins Gefängnis musste.

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Wir begleiten Baxter, der als Schlafwagendiener Geld verdient, um sein Zahnarztstudium finanzieren zu können. Schlafmangel, unerbittliche Gäste und seine brennende Sehnsucht nach einem Mann werden intensiv geschildert. Eine Reise, die nachdrücklich beeindruckt.
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