MIT GERADE EINMAL SIEBEN JAHREN sticht Suzanne Heywood mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder auf dem Segelschiff Wavewalker in See, um die Welt zu umrunden. Doch was als aufregendes Abenteuer beginnt, wird bald zu einem Alptraum für das Kind: ein Leben in Stürmen, Angst, Einsamkeit. Suzanne sehnt sich danach, wieder zur Schule zu gehen und ein normales Leben zu führen, doch sie bleibt gefangen im Lebenstraum ihres Vaters. Erst nach zehn Jahren kehrt sie in ihre Heimat zurück – mit Aussicht auf ein Oxfordstipendium. Eine wahre Geschichte über das Erwachsenwerden und die Sehnsucht nach Heimat, vom bitteren Überlebenskampf eines Kindes, dem jede Sicherheit versagt wurde. Und bisweilen sogar das Trinkwasser.
Wie eine Weltreise eine Kindheit zerstörte
Schockierend, erschütternd, wunderschön erzählt
Ein Zeugnis dessen, was Mut und Stärke vollbringen können
Auf dieses Buch war ich sehr gespannt, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte. Man kann sich kaum vorstellen, dass eine komplette Kindheit wirklich so verlaufen kann. Da war und bin ich schon geschockt von den Eltern. Zumal die Autorin ja auch selbst schreibt, dass sie sich wundert, wie ihre Eltern, die selbst eine gute Ausbildung genossen haben, so gleichgültig der Ausbildung ihrer Kinder gegenüber sein können. Und dass es auch sonst niemanden gab, den das interessiert hätte ...
Doch von vorne. Suzanne und ihr kleiner Bruder gehen mit den Eltern auf dem Segelschiff Wavewalker auf große Reise. Sie ist erst 7 und wäre viel lieber in der Schule geblieben, aber die Eltern - vor allem der Vater - erfüllen sich damit einen Herzenswunsch. Und eigentlich sollen es auch nur drei Jahre werden - am Ende sind es zehn und damit die gesamte Kindheit. Suzanne muss Stürme, Arbeitseinsätze - auch in der Nacht - und vieles mehr durchleben. Sie ist nie alleine an Bord, aber trotzdem unglaublich einsam. Das konnte man durch die Zeilen auch nach den Jahrzehnten noch spüren, genauso wie ihre Verletztheit über die Gleichgültigkeit ihrer Eltern, vor allem der Mutter. Diese Passagen haben mir sehr zu schaffen gemacht. Man fragt sich, warum solche Menschen Eltern geworden sind und warum sie die Kinder nicht bei Verwandten, im Internet, ... zurückgelassen haben. So ein Leben ist auf Dauer nicht für Kinder und Heranwachsene geeignet, die sozialen Kontakte zu Gleichaltigen fehlen und vieles mehr auch. Wobei ich mir selbst das auch nicht vorstellen könnte, denn man hat keinerlei Rückzugsraum für sich selbst.
Ich fand es mutig, dieses Buch zu schreiben - auch gegen die Widerstände der Eltern - und so offen über ihre Gefühle zu sprechen. Gerne hätte ich mehr über den Alltag erfahren. Auch so banale Probleme wie den Toilettengang oder die Müllentsorgung. Oder auch wie es ist, wenn man so eng zusammen essen muss etc. Man erfährt viel über gefährliche Situationen, gleichzeitig hatte ich aber auch immer mal wieder den Eindruck, dass sich was wiederholt. Die einzelnen Fahrten - gerade zum Ende hin, als es immer wieder die gleiche Region ist - wurden bei mir im Kopf zu einer bzw. zu einem Durcheinander und ich konnte es nicht mehr gut auseinander halten.
Auf jeden Fall ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie es ist, wenn Eltern ihre Träume wahr machen und die Kinder nur ein Anhängsel sind: "Er sah mich an, und in seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich nur zu gut kannte - die Angst, im Traum eines anderen Menschen gefangen zu sein."
"Wir segelten weiter durch die Salomonen, hielten in Buchten mit weißem Sand und strohgedeckten Pfahlhütten über türkisfarbenen Lagunen. (...)
Ich lebte in einer außergewöhnlichen Welt, doch ich ignorierte sie weitgehend und verschanzte mich lieber zum Lernen (...)" (Zitat S. 277, verkürzt)
Das Buch basiert auf den wahren (Kindheits-)Erlebnissen der Suzanne Heywood an Bord eines Segelschiffes. Auf der Innenseite des Covers ist eine interessante farbliche Darstellung des Schiffsinnern abgebildet, in der Mitte des Buches finden sich zudem einige Fotos aus dem privaten Album der Autorin.
Jedem Kapitel sind Zeiträume, Orte/Länder/Inseln sowie eine Skizze der Route vorangestellt. Damit kann die beeindruckende Reise der Familie nachvollzogen werden.
1975. Suzanne war gerade sieben Jahre alt, als ihr Vater beschloss das bisherige Familienleben in Plymouth, England, hinter sich zu lassen, den Besitz zu veräußern, ein Segelboot zu kaufen und mit der Familie auf den Spuren von Captain James Cook mit der "Wavewalker" um die Welt zu reisen.
Zusammen mit ihren Bruder musste sie ihr vertrautes Heim, ihre beste Freundin und ihren Hund verlassen, um fortan mit ihren Eltern und ihrem ein Jahr jüngeren Bruder Jon auf einem Schiff zu leben.
Dort wurden die Geschwister zeitweise von ihrer Mutter, einer Lehrerin, in Englisch und Mathematik unterrichtet.
Aus den ursprünglich geplanten drei Jahren wurden schließlich zehn Jahre, bis Suzanne sich endlich von ihren Eltern lösen und zurück nach England reisen konnte. Dort folgte sie ihren eigenen Träumen und begann ein Studium der Zoologie.
Beim Lesen kam ich nicht umhin, Suzanne um die zahlreichen wunderschönen Orte, die sie gesehen hat, zu beneiden. Sie hat in ihrer Kindheit mehr von der Welt gesehen, als wohl die meisten Erwachsenen in ihrem ganzen Leben jemals erblicken werden. Sie konnte ferne Orte sowie fremde Kulturen kennenlernen und faszinierende Meeresbewohner aus nächster Nähe beobachten. Sie hat ganze 47.000 Seemeilen auf der "Wavewalker" zurückgelegt, was einer zweifachen Umrundung der Erde entspricht. Sie war u.a. in Brasilien, Südafrika, Australien, Neuseeland, Ozeanien.
Auf den Spuren des James Cook zu reisen, bedeutete allerdings auch entgegen dem Wind zu segeln. So kamen sie mitten im Indischen Ozean in einen gewaltigen Sturm, bei dem das Schiff stark beschädigt, ihr Vater von Bord ging und Sue schwer verletzt wurde. Nur knapp fanden sie schließlich völlig entkräftet auf einer kleinen Insel Rettung und das Mädchen musste sich dort vom einzigen Inselarzt mehreren Operationen (ohne Betäubung) am Kopf unterziehen. Dieses dramatische Ereignis hat Sue - verständlicherweise - stark zugesetzt und sie auch Jahre danach noch belastet, da es von den Eltern totgeschwiegen wurde.
Sie musste sich dem Segeltraum ihrer Eltern beugen, der für sie zunehmend zum Alptraum geworden ist. Sie hat die meiste Zeit auf hoher See verbracht, mit ständig wechselnder Besatzung, ohne die Möglichkeit Freunde zu treffen. Einfache Dinge des täglichen Lebens wurden dabei zur Herausforderung. Die Familie hatte nur begrenzt Frischwasser zur Verfügung und oft, in den weiten Etappen bis zum nächsten Anlegen am Festland, irgendwann kein Essen mehr - abgesehen von den immer gleichen Konserven. Auch am Festland musste sie helfen das Boot instandzuhalten und konnte kaum eine Schule besuchen. Sie entwickelte allerdings einen bewundernswert großen Ehrgeiz und ihre Eltern ermöglichten den Kindern Fernkurse an einer australischen Schule zu belegen.
Bei all den faszinierenden Orten/Länder/Inseln, die Suzanne zu sehen bekam, darf nicht verkannt werden, dass sie sich den Wünschen ihrer Eltern unterordnen musste. Sie hätte ein "normales" Leben mit planbaren Abläufen, Schule, Freunde treffen etc. bevorzugt. Als sie sich als Teenagerin endlich überwindet ihren Eltern mitzuteilen, dass sie gerne auf ein Internat gehen möchte, um zu lernen und Freundschaften zu schließen, wurde ihr entgegnet, dass diese Entscheidung nicht bei ihr läge.
Ihre Mutter zeigte oft nur wenig Empathie für ihre Tochter. Der Vater legte die Route fest und hatte immer neue Ideen, um Geld zu verdienen. Nur selten bezog er die Kinder in seine Planung ein.
Das Verhältnis zu den Eltern, besonders zur Mutter, blieb auch als Erwachsene angespannt. Ihr Bruder Jon kam mit den Bedingungen auf dem Schiff besser zurecht und wurde als Junge von den Eltern oft bevorzugt behandelt.
Trotz allem war die "Wavewalker" für Suzanne das einzige richtige Zuhause, so dass sie sich nach Beendigung der Segelreise ihrer Eltern auf die Suche nach dem Schiff begibt, wohl auch um mit den Erlebnissen ihrer Kindheit (endlich) abschließen zu können.
Fazit:
Suzanne Heywood Biographie ist faszinierend, höchst beeindruckend und dramatisch zugleich. Ein Buch, welches ich so schnell nicht wieder vergessen werde und bei dem ich auf eine Verfilmung hoffe!
Für den Vater ein Lebenstraum - per Segelschiff auf der Route des brühmten Captain Cook die Welt zu erkunden. Was sich wie die absolute Freiheit anhört, ist für Suzanne Heywood in ihrer Kindheit und Jugend harte Realtität. Hin-und hergerissen zwischen der Liebe zu ihren Eltern und ihren eigenen Bedürfnissen, ist die "Wavewalker" mal ein Zuhause, ein Abenteuer, eine Gefahr und ein Gefängnis. Eine packende und bewegende Lebensgeschichte, die man nicht mehr aus der Hand legen möchte. Es ist auch sehr mutig von Suzanne Heywood ihre Geschichte so ehrlich zu erzählen und zu veröffentlichen. Gerade die Dynamiken in Familien können sehr belastend sein. Mich hat dieses Buch sehr beeindruckt.
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