»Das ist kein Roman, das ist ein Manifest.« ›Die Welt‹
Toto ist ein Wunder. Ein Waisenkind ohne klares Geschlecht. Zu dick, zu groß, im Suff gezeugt. Der Vater schon vor der Geburt abgehauen, die Mutter bald danach. Im kalten Sommer 1966 geboren, wandelt er durch die DDR, als ob es alles noch gäbe: Güte, Unschuld, Liebe. Warum, fragt er sich, machen die Menschen dieses Leben noch schrecklicher, als es schon ist? Toto geht in den Westen, wo der Kapitalismus zerstört, was der Sozialismus verrotten ließ. Nur zwei Dinge machen ihm Hoffnung – das Wiedersehen mit Kasimir und das Singen.
Sibylle Berg, geboren in Weimar, lebt heute in Zürich. Sie schreibt Romane, Theaterstücke, Essays und Kolumnen (u.a. für die ›NZZ‹ und für die ›ZEIT‹). Zuletzt erschienen ›Das Unerfreuliche zuerst – Herrengeschichten‹ (2001), ›Ende gut‹ (2004), ›Die Fahrt‹ (2007) und ›Der Mann schläft‹ (2009). 2008 wurde sie mit dem Wolfgang-Koeppen-Preis ausgezeichnet.
Solche Bücher muss man mögen. Sicherlich ist es auch anspruchsvoll. Mir persönlich hat es aber nicht gefallen. Nirgendwo ist Liebe oder Freundlichkeit von den Menschen zu erwarten. Die Hauptfigur schafft es nicht das Leben in die Hand zu nehmen, sondern wird von Zufall zu Zufall geworfen. Ob das jetzt wirklich als "gute" Wesenseigenschaft zu bezeichnen ist, bleibt fraglich. Wer nur erträgt, ist nicht unweigerlich gut. Und so reiht sich Kapitel für Kapitel aneinander. Von fast allen Menschen wird nur das Schlechte hervorgeholt, von Süchten über Schwächen und Gewalt. Ich blieb mit der Frage zurück, was das Buch eigentlich will.
Vielen Dank für diese Geschichte
Alexia am 11.01.2021
Bewertet: Hörbuch (CD)
Toto ist vieles, nur nicht normal. Er oder sie, sie oder er hat kein klares Geschlecht und wird erst einmal auf dem Papier zum Jungen abgestempelt. Toto hat keinen Menschen der ihn liebt, behütet, zärtlich zu ihm ist. Im Waisenhaus, in das er schnell abgeschoben wird, wird er wie ein Aussätziger behandelt. Einzeldusche. Ausgrenzung. Misstrauisch beäugt. Ein Freak oder was auch immer, der allein dadurch schon den Hass seiner Umwelt erzeugt, dass er selbst so ein liebevoller Charakter ist. Und Toto versteht nicht warum. Was ist so anders an ihm? Er ist genügsam bis weit über die Schmerzgrenze hinaus. Er ist voller Verständnis für die Bösartigkeiten, die ihm zugefügt werden. Er nimmt alles an. Jede Demütigung, jeden Schlag. Und immer ist da die Hoffnung in ihm, dass es vielleicht auch einmal anders kommen wird. Dass auch ihm Liebe geschenkt wird. Dass es weiter geht. Und so zieht der Hörer voller Hoffnung mit Toto durch dessen Leben. Voller Hoffnung, dass dieser besondere Mensch auch einmal in den Genuss von liebevoller Aufmerksamkeit kommen wird, von Achtung, von Verständnis, von Treue. Aber Toto hat keine Chancen. Denn ein kurzzeitiger Freund aus Kindertagen verfolgt ihn mit seinem unbändigen Hass und versucht alles, um Totos Leben gänzlich zu vernichten.
Taschentücher bereithalten. Ich habe mehr als eins gebraucht. Vielen Dank für das Leben ist ergreifend, macht betroffen, hält einem selbst den Spiegel gnadenlos vor. Berg hat mit Toto eine Figur erschaffen, die rührt, die man in den Arm nehmen, drücken will. Und gleichzeitig bekommt man eine große Wut auf all diese verbohrten sogenannten Normalos, zu denen man sich selbst auch zählen kann, die Toto quälen, ihn wegen seiner Besonderheit ausgrenzen, demütigen, tyrannisieren, verachten. Totos Leid verursacht Schmerzen. Seine Hingabe an das Leben, seine Demut, die kleinen hoffnungsvollen Glücksmomente, all das wirkt tief und bleibend nach. Diese Geschichte ist ein emotionaler Trip, der die ambivalentesten Gefühle erzeugt. Teilweise ein Höllenritt, denn man selbst ist auch nicht ohne Schuld. Das wird einem mehr als klar. Wenn diese Geschichte aber dazu führt, dass man sich und sein Verhalten anderen gegenüber hinterfragt und seine Schwachstellen erkennt und versucht, etwas dagegen zu unternehmen, dann hat sich dieses Buch schon mehr als gelohnt. Es sollte Pflichtlektüre in jeder Schule werden. Der Versuch, ein wenig mehr Menschlichkeit in die Welt zu bringen. Ein besseres Miteinander. Großes Kompliment auch an Gustav Peter Wöhler, der Totos Geschichte die richtige Platt-form bietet.
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Toto ist alles andere als gewöhnlich - Waisenkind, geschlechtslos, zu groß, zu dick und irgendwie auch einfach zu gut für diese Welt. 1966 in der DDR geboren, flüchtet Toto später abenteuerlich in den Westen, wo das Leben als Außenseiter allerdings auch nicht besser ist. Dort wie hier bleiben die Menschen für Toto vor allem ein Rätsel: warum ist ihnen das Andersartige, das Fremde so unerträglich? Und warum machen sie sich ihr Leben immer noch schwerer, als es eh schon ist? Ich mag Sibylle Bergs zornigen Ton einfach gern. Ihre Worte sind wie Pfeile, die auf Feigheit, Heuchelei und Bequemlichkeit zielen - und Frau Berg ist eine gute Schützin!