
Rosa in Grau
Eine Heimsuchung
Buch (Kunststoff-Einband)
22,00 €
inkl. gesetzl. MwSt.Beschreibung
Details
Einband
Kunststoff-Einband
Erscheinungsdatum
13.10.2022
Verlag
Edition AZURSeitenzahl
184
Maße (L/B/H)
20,7/13,8/1,7 cm
"Wann immer ich kann, male ich Wörter. Mit dem Zeigefinger. Auch hier in der Anstalt. Drinnen, draußen. Auf alles, was mir unterkommt, male ich Wörter. Ich male auf Wände, auf Fenster, auf Tischplatten. Ich male auf Haut, auf Kleidung, auf Laken."
Simone Scharbert führt uns mit "Rosa in Grau" in psychiatrische Anstalten der Nachkriegszeit. An Orte, wo Menschen ohne Privatsphäre unter katastrophalen Bedingungen leben. Erzählt wird aus der Perspektive einer jungen Mutter, die Anfang der 50er-Jahre in Haar-Eglfing eingeliefert wird. Wie so viele Frauen, die sich nicht in die Gesellschaft ihrer Zeit einfinden können. Frauen, die gezwungen sind, ihr eigenes Leben aufzugeben und stattdessen Jahrzehnte in der Psychiatrie verbringen – mehr verwahrt als behandelt. Menschen, die etwas aus sich selbst heraus schaffen müssen, um das Leben weiter zu ertragen.
Ein aufwühlender, sprachlich funkelnder Roman über Kontrollverlust und Grenzerfahrungen, über Liebe und Freundschaft. Und über die Kunst als letztes Refugium der Hoffnung - mit engen Bezügen zur Sammlung Prinzhorn.
Simone Scharbert führt uns mit "Rosa in Grau" in psychiatrische Anstalten der Nachkriegszeit. An Orte, wo Menschen ohne Privatsphäre unter katastrophalen Bedingungen leben. Erzählt wird aus der Perspektive einer jungen Mutter, die Anfang der 50er-Jahre in Haar-Eglfing eingeliefert wird. Wie so viele Frauen, die sich nicht in die Gesellschaft ihrer Zeit einfinden können. Frauen, die gezwungen sind, ihr eigenes Leben aufzugeben und stattdessen Jahrzehnte in der Psychiatrie verbringen – mehr verwahrt als behandelt. Menschen, die etwas aus sich selbst heraus schaffen müssen, um das Leben weiter zu ertragen.
Ein aufwühlender, sprachlich funkelnder Roman über Kontrollverlust und Grenzerfahrungen, über Liebe und Freundschaft. Und über die Kunst als letztes Refugium der Hoffnung - mit engen Bezügen zur Sammlung Prinzhorn.
Das meinen unsere Kund*innen
Juwel von einem Buch
Manfred Fürst aus Kirchbichl am 19.04.2023
Bewertet: Buch (Kunststoff-Einband)
Um es vorwegzunehmen, eines der empathischsten Bücher je gelesen. Was heißt „empathische Bücher“? Nicht unbedingt der Plot zählt, sondern die literarische Umsetzung, und die ist sensationell, phänomenal. Die Geschichte hat eine ungeheure Kraft, die vom Leser Besitz ergreift, es wird ihm abwechselnd kalt und heiß, gefühlsüberwältigend, erschöpft, erreicht sein tiefstes Inneres, berührt emotional. Ja diese Gefühlsduselei muss sein.
Rosa in Grau wird aus der Perspektive einer jungen Mutter erzählt, die Anfang der 1950er-Jahre mit Schizophrenie in eine psychiatrische Klinik in Haar/Deutschland eingeliefert wird. Den Menschen, denen sie dort begegnet, müssen Jahrzehnte in psychiatrischen Anstalten verbringen, zeigen ihr unter oft schockierenden Bedingungen, wie Kunst zu einem Hoffnungsschimmer werden kann. Sprachlich prickelnd rückt Rosa in Grau Frauenstimmen in den Vordergrund und thematisiert Kontrollverlust, Grenzerfahrungen, Liebe, Freundschaft und Kunst.
In der Ich-Form erzählt die junge Mutter mit ihrem aufgewühlten Geist wie sie sich mit dem Alltag auseinandersetzt, mit seelenzerstörenden Erlebnissen in der psychiatrischen Anstalt. Der erste Teil spielt 1951 „Zu Hause“ mit ihrer Tochter Rosa. Kurze Szenen aus dem Alltag verdeutlichen, wie die Überlagerung vergangener traumatischer Ereignisse und aktueller Anforderungen an ihrer psychischen Gesundheit zehrt. In ihren schizophrenen Phasen ist sie unfähig, auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen.
Der zweite Teil spielt 1953 in der psychiatrischen Klinik Haar mit dem erschreckenden Leben in der Anstalt, dem Verlust der Würde und der Monotonie jedes tristen Tages. Jedoch bilden Freundschaft und Liebe Lichtblicke. Halluzinationen offenbaren Einblicke in ihre Vergangenheit und wie der gewalttätige Vorfall zu Hause mit ihrem zweiten Kind zu ihrer Einweisung führte.
Nach einem kurzen Zwischenspiel 1954 „Zu Hause“, 1956 wieder im Nervenkrankenhaus Haar. „Ich schließe den Mund, fest. Beiße auf das Taschentuch, beiße gegen die Zeit. Einmal mehr… Dass sie mir gleich die Elektroden auflegen, auf die Stirn. Sagt sie. Dass ich keine Angst haben müsse, dass das Gerät gut eingestellt sei…“ (S. 155).
Das Buch zieht mich mit seiner Spannung, Ungewissheit und Schönheit in seinen Bann, auf jeder Seite in seine tief empfundenen Themen.
Ohne direkt auf die Heil- und Pflegeanstalt/Nervenkrankenhaus Haar einzugehen, haben psychiatrischen Kliniken eine dunkle experimententhemmte menschenverachtende Vergangenheit und beginnend in den 1930er- bis 1970er-Jahre ein düsteres Kapitel der Medizingeschichte. Als die Ärzteschaft noch glaubte den Menschen mit einer Operation (Lobotomie) heilen zu können, oder um ihn vielmehr „ruhig zu stellen“.
Zwei Lesetipps: „Ein simpler Eingriff“ von Yael Inokai und „Nachts, wenn der Tiger kommt“ von Fiona McFarlane.
Psychotisch lyrische Prosa
Bewertung am 07.11.2022
Bewertet: Buch (Kunststoff-Einband)
Wir erleben den Kosmos einer Frau, die psychotisch ist, sie hat eine Scheibe zwischen sich und der Welt, im »Kopf ein Brei an Lauten«, schwimmende Stimmen. Rück-, oder Vorblenden gibt es nicht, auch müssen wir uns einige Kontexte erschließen.
Geht es ihr gut? Das ist nicht einfach zu beurteilen. Ihre Gedanken sind fragmentiert, assoziativ gelockert, sie hat ein begrenztes Verständnis für die Welt, was Scharbert sprachlich gekonnt durch kurze Sätze und assoziative Gedankenketten in Szene setzt. Die Frau hat einen poetischen Blick und sie hat Rosa in sich, ein Mädchen, das da ist, sie beruhigt, wenn sie Schutz braucht. Meist ist sie ruhig, zart und friedlich, aber manchmal sind da andere Stimmen, die sind laut, die schimpfen, manchmal rollt eine Wut über sie, sie schreit, wütet, später merkt sie, da ist Blut.
Durch ihre Scheibe, mal klar, mal milchig, sieht sie zwei Kinder, schemenhaft, es sind wohl ihre, die nicht mehr da sind. Die Welt hinter ihrer Scheibe ist oft grau, manche Menschen scheinen ebenso rosa durch, wie Eugen, der auch in der Anstalt lebt oder wie Käthe, die Pflegerin, die sie mag.
Simone Scharbert hat sich großes vorgenommen, die Welt aus Sicht einer chronisch psychotischen Frau zu schildern vor dem Hintergrund einer unterbelichteten Zeit der Psychiatriegeschichte von der Nachkriegszeit bis zu den Reformen in den 70er Jahren. Kurz bevor die Geschichte einsetzt, wehte der Wind der Vernichtung durch die Anstalt Eglfing-Haar und Kontinuitäten liegen nahe. Die Frau spürt die Verwaltung, die Verwahrung und den Hunger. Fixierungen mit den Facetten des Schutzes und der Gewaltausübung werden sensibel und realistisch dargestellt, ebenso die Einführung und Wirkung von Medikamenten und der in Deutschland stark diskutierten EKT.
Das Nachwort von Scharbert hilft, die fragmentierte Geschichte einzuordnen. Es macht ihre Dringlichkeit deutlich und zeigt was für eine akribische Sprach- und Recherchearbeit in diesem Roman steckt. Scharbert hat das Talent, unseren Blick für Sprache und entrückte Erlebenswelten zu schulen und gerade in den Auslassungen viel zu erzählen.