Der vorliegende Roman gilt neben Heinrich Manns Werk "Die kleine Stadt" als eine der besten Schöpfungen aus der Frühzeit des Dichters. Er erschien erstmalig im Jahre 1905 und schildert die makabre Geschichte eines professoralen Gymnasiastenschrecks, einer Spießerexistenz, die in später Leidenschaft einer Kleinstadtkurtisane verfällt und aus den gewohnten bürgerlichen Bahnen entgleist.Mit diesem Roman, dessen Verfilmung mit Emil Jannings und Marlene Dietrich unter dem Titel "Der blaue Engel" zu einem der wenigen wirklichen Welterfolge des deutschen Films wurde, gelang Heinrich Mann eine meisterhafte Karikatur der Wilhelminischen Zeit.
Hauptperson des 1904 entstandenen Romans von Heinrich Mann ist Professor Raat, der seit über 25 Jahren am Gymnasium einer deutschen Kleinstadt unterrichtet.
Raat nimmt seinen Lehrauftrag sehr ernst, vergisst aber dabei völlig, dass er junge menschliche Wesen mit all ihren Stärken und Schwächen vor sich sitzen hat, die es zu erziehen gilt. Für ihn sind alle Schüler eine potentielle Gefahr.
Durch sein schmieriges Äußeres, seine mit Füllworten gespickte Ausdrucksweise mit der er sich anzubiedern versucht, stattdessen aber nur Spott erntet (Spitzname Unrat), wird er immer wieder zur Zielscheibe des Spotts von Schülern, Kollegen und Bürgern der Stadt, die zum Teil ebenfalls in seiner Klasse waren.
Sobald Professor Raat sich in seiner Autorität bedroht fühlt, rastet er aus, er stellt den Schülern unlösbare Aufgaben, droht ihnen, dass er wie vielen anderen vor ihnen die Zukunft verbauen werde, sperrt sie trotz ihres jugendlichen Alters wie kleine Kinder in die Garderobe und freut sich diebisch, wenn er einen Schüler fassen kann, weil er ihn bei seinem Spitznamen verspottet hat.
Daheim wartet statt einer Ehefrau eine herrische Haushälterin und stundenlange Arbeit mit verstaubten Literaturklassikern für die Schule auf ihn. Raat scheint nur seine Arbeit zu kennen.
Respekt vor der Obrigkeit und eine strenge Moralvorstellung beherrschen sein Leben bis zu dem Tag, als er in einer Stunde gleich mit dreien seiner Schüler von Ertzum, Kieselack und Lohmann aneinandergerät. Er findet heraus, dass sich seine Schützlinge abends bei Rosa Fröhlich, einer Barfußtänzerin herumtreiben. Empört macht sich Raat auf die Suche, gerät dabei mit dem wirklichen Leben außerhalb seiner Schule, also seines Machtbereichs aneinander.
Es zeigt sich dabei, dass Raat völlig weltfremd ist und dem Leben selbst nicht gewachsen ist, er verhält sich absolut unmöglich und macht sich ständig lächerlich. Will er zunächst verhindern, dass seine Schüler weiterhin bei Rosa verkehren und sie mit Androhung der Polizei der Stadt verweisen, gerät er zunehmend in den Bann des lockeren Lebens. Raat verfällt von einem Extrem ins andere.
Es kommt soweit, dass er die nun für ihn zur Künstlerin aufgestiegene Rosa heiratet und mit ihr in der Villa vor dem Tor eine Lasterhöhle entstehen lässt. Waren hier zunächst zur Finanzierung des aufwendigen Lebensstils der Künstlerin zunächst von Griechischstunden die Rede, kommt es bald zu frivolen Spielen und der Veranstaltung von Glücksspielen und Trinkgelagen.
Angezogen von der verruchten Atmosphäre, aus Neugier wie es dem stadtbekannten Unikum ergangen ist (Raat verliert sogar seine Stelle als Lehrer wegen seines ungebührlichen Verhaltens), Abenteuerlust und Spielsucht treffen sich alsbald Leute aus den unterschiedlichsten Schichten bei Raat und seiner Frau.
Raat lockt mit seinen kostspieligen Veranstaltungen und durch die stets zu einer Affäre bereiten Rosa ein Opfer nach dem anderen ins Verderben, selbst hochangesehene Bürger der Stadt verfallen der Anziehungskraft der Villa vor dem Tor und verlieren bei den Glücksspielen und sonstigen Eskapaden nicht nur viel Geld, sondern auch ihr Gesicht und ihren Einfluß.
Schließlich verliert Raat jedoch jegliche Kontrolle und wird wegen einer eigentlichen Lappalie von der Polizei gemeinsam mit Rosa festgenommen und unter dem Gejohle der versammelten Bürger abgeführt.
»Liebes Fräulein, falls Sie der Blumensträuße und des Sektes nicht entraten mögen, sollen Sie sie von mir bekommen. Es ist nicht zulässig, dass Sie dieser Dinge durch Schüler teilhaftig werden.«
Sein ganzes Leben hat Professor Rath als guter Bürger seine Pflicht getan, alles musste stets seine Ordnung haben. Als höchst gestrenger Lehrer war er gefürchtet und wenn jemand ihn „Unrat“ nannte, verstand er keinen Spaß. Im Gegenteil fühlte er sich schwer gekränkt und konnte sich nicht vorstellen, dass weniger als eine schwere Beleidigungsabsicht damit verbunden sein könnte.
Als er eines Tages ein anrüchiges Lokal betritt, um eine dort auftretende, noch anrüchigere Sängerin aufzufordern, schleunigst die Stadt zu verlassen, läuft dies aber anders als geplant. Er verfällt der Künstlerin namens Rosa Fröhlich und ruiniert dadurch in der Folge sein gesamtes Leben.
Eine tragische Geschichte, die man sich gut und zu allen Zeiten vorstellen kann. Ein verschrobener, verbiesterter Spätfünfziger, der in seinem ganzen Leben nie so etwas wie Spaß kennengelernt hat, verfällt den Verführungskünsten einer jungen Frau. Natürlich will er sich das zunächst nicht eingestehen, vielmehr redet er sich lange ein, sich täglich um Rosa zu kümmern, damit seine Schüler nicht zu ihr können und so vor dem schädlichen Einfluss geschützt sind. Er, der zwar nicht beliebt, aber doch zumindest geachtet war, verliert nach und nach alles, was er sich im Leben an Ansehen erarbeitet hat und stürzt letztlich, blind für die wahre Erkenntnis der Zusammenhänge, in einen regelrechten Abgrund.
Auch wenn all das sehr realistisch wirkt, war es für mich nicht schön zu lesen. Da hätte mir ein unrealistisches Happy End besser gefallen. Zudem sorgte die alte Sprache (das Buch erschien erstmals 1905) dafür, dass mir der Zugang noch schwerer fiel.
Fazit: Gut vorstellbare Handlung, aber darüber hinaus schlicht tragisch.
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