Der elektrische Traum. Fortschrittsjahre oder eine Gesellschaft unter Strom
Platz 10 der WELT-Sachbuchbestenliste Dezember | Hightech während der Kaiserzeit | Die Erfindung des künstlichen Lichts
Das magische Leuchten - über die Elektrifizierung der Welt und die erste Energiewende
Im Jahr 1878 sind sich die führenden Ingenieure der Kaiserzeit einig: Niemals wird Elektrizität das Gaslicht verdrängen. Strombetriebene Lampen seien unpraktisch und schadeten der Gesundheit. Leuchtgas werde unentbehrlich bleiben, meint etwa der Ingenieur Werner Siemens.
Dieses Licht hat der Menschheit aber auch eine Bedrohung beschert: Immer mehr Gasbrände verzeichnet die Statistik, immer mehr Explosionen. Und nirgendwo ist die Gefahr größer als in den Theatern, den Zentren des Zeitgeists im 19. Jahrhundert. Doch das Risiko ist zur Routine geworden - bis es 1881 im Wiener Ringtheater zur Katastrophe kommt und fast 400 Menschen sterben. Ein Wendepunkt mit weitreichenden Folgen.
Mit Verve und erhellender Sachkenntnis erzählt Alexander Bartl von einer Energierevolution, die ganz Europa und Amerika in Aufregung versetzte. Letztlich triumphiert Thomas Alva Edison mit der Erfindung seiner Glühbirne und bringt unsere Welt zum Leuchten.
Historiker und Autor Alexander Bartl entführt seine Leser wieder in das 19. Jahrhundert, das eine spannende Zeit des Umbruchs ist. Zahlreiche Erfindungen verbessern den Alltag, machen allerdings auch vielen Menschen Angst. In diesem Sachbuch bringt er uns den Aufstieg der Elektrizität näher.
Ein zentraler Punkt des Siegeszuges der Elektrifizierung von Gebäuden sind Brände in Theatern. Neben dem Brand des Theaters in Nizza im März 1881 ist es der Brand des Wiener Ringstraßentheaters im November desselben Jahres, der mehreren Hundert Menschen das Leben gekostet hat, die den Siegeszug der elektrischen Beleuchtung antreibt. Der Brand in Wien ist neben organisatorischen und baulichen Mängeln (fehlende Trennung von Bühne und Zuschauerraum, enge, mit brennbaren Materialien ausgestattete Stiegenhäuser und nach innen aufgehende Ausgänge) ist vor allem auf die Beleuchtung mit Leuchtgas zurückzuführen, die zusätzlich noch schlecht gewartet worden ist. In den Jahren zuvor ist elektrisches Licht als Spielerei für Reiche abgetan worden - illuminiertes Vergnügen.
Dabei sind Explosionen aufgrund von undichten Gasleitungen unter der Erde und in den Häusern fast schon an der Tagesordnung.
Manch einer sieht in der Elektrizität mehr Vor- als Nachteile, dennoch will man sich - schon aus Prinzip - nicht vom gefüllten Futtertrog des Monopols nicht vertreiben lassen.
»Es ist inakzeptabel, dass irgendein zweifelhafter Wettbewerber das Recht der Gasgesellschaften verletzt, Straßen und Häuser zu beleuchten. Denn das ist allein ihr Vorrecht, aus Tradition und aus Prinzip.«
Meine Meinung:
Alexander Bartl versteht es sehr gut, die Forschungen von Thomas Alva Edison und seinen Mitarbeitern darzustellen. Er verschweigt auch nicht, dass Edison ein manchmal schwieriger Mensch war. Die technischen Details, die dem elektrischen Strom zum Sieg über das Leuchtgas verhelfen, sind gut beschrieben. Ebenso können sich die Leser ein Bild von den gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen der Umstellung auf elektrische Beleuchtung machen. Natürlich wird es noch Jahrzehnte dauern, bis die Elektrizität im kleinsten Winkel der Welt angekommen ist. Es ist faszinierend zu erfahren, welche Vorbehalte die Menschen damals der Elektrifizierung gegenüber hatten. Gleichzeitig war man aber von dieser neuen Erfindung so fasziniert, dass es zum guten Ton gehört hat, Strom-Partys zu veranstalten.
Wir erfahren, dass Thomas Alva Edison und George Westinghouse, ein weiterer Strompionier, erbittert um die Antwort auf die Frage, ob „Gleichstrom“ oder „Wechselstrom“ sicherer sei, kämpften. Edisons Mitarbeiter Harold Brown hat sogar einen elektrischen Stuhl konstruiert, der zunächst als „Party-Gag“ verwendet worden ist. Recht bald (1889) hat er als „humanes“ Vollzugsinstrument der Todesstrafe in Amerika seine Verwendung gefunden.
Wie schon zuvor das Buch „Walzer in Zeiten der Cholera“ ist auch dieses hier akribisch recherchiert. So erhalten wir Einblick in das künstlerische Schaffen des Franz Jauner, seines Zeichens Direktor des Carlstheater in der Leopoldstadt und späterer Direktor des Ringtheaters.
Die historischen Fakten sind geschickt mit den technischen Details verknüpft. Auszüge aus Zeitungsberichten und/oder Korrespondenz vervollständigen das lebendige Bild dieser Zeit wie dieses Zitat aus „Der Bautechniker“ vom 2. März 1883 zeigt.
»Die Gasgesellschaften bringen nämlich den Verlust, den ihnen das vordringende elektrische Licht verursacht, dadurch wieder herein, daß sie das Gas in erhöhtem Masse zu Heizzwecken verwenden. Durch diesen Anstoss ist übrigens eine solche Zahl nützlicher Heizapparate construirt worden, daß sich auch in dieser Richtung eine neue Aera eröffnet, indem nämlich in der Zukunft immer mehr die Heizung der Herde, ja sogar der Oefen mittelst Gases bewerkstelligt werden wird.«
Man sieht, die Inhaber der Gasgesellschaften sind keine Sozialfälle geworden.
Schmunzeln musste ich, als sich ausgerechnet Brünn, das damals als „Manchester von Mähren“ mit der Auszeichnung, das erste vollständig elektrische Theater zu haben, schmücken durfte. Paris, Wien, Berlin oder München - alle wurden sie vom Stadttheater Brünn, das sein ebenfalls im Jahr 1881 abgebranntes Theater durch einen Neubau ersetzen ließ, ausgestochen.
Ergänzt wird das Buch durch kurze Lebensläufe jener Personen, die bei der Verwirklichung des elektrischen Traums maßgeblich mitgewirkt haben bzw. davon betroffen waren.
Fazit:
Gerne gebe ich dieser fesselnd erzählten Geschichte rund um den „elektrischen Traum und der Gesellschaft unter Strom“ 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Wissenschaft und Geschichte zur Entstehung der Glühbirne
ancla_books4life aus Schwerte am 02.06.2024
Bewertungsnummer: 2214840
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
**** Worum geht es? ****
Was musste passieren damit das Gaslicht durch die Glühbirne ersetzt wurde? Denn wie fast immer, Novitäten werden in Zweifel gezogen und der Status Quo gehuldigt. Der wissenschaftliche Geist von Thomas Edison ließ eine solche Betrachtung der Dinge nicht zu und so konnte dieser letztlich die Welt zum Leuchten bringen. Aber vorher hielt das Wiener Ringtheater am Status Quo fest und leitete mit der Katastrophe 1881 einen Wendepunkt in der Geschichte ein.
**** Mein Eindruck ****
Ein interessantes Sachbuch, das sowohl mit historischen als auch wissenschaftlichen Erzählungen zu unterhalten und informieren weiß. Das Personenregister, sowie die Anordnung der Quellen nach Kapiteln fand ich sehr hilfreich und übersichtlich. Der Schreibstil des Autors blieb trotz der Menge an Informationen immer im erzählerischen Ton und kann somit auch als Vergnügungslektüre dienen. Ein bisschen hängt dies am Ende natürlich am Interesse für das wissenschaftliche / technische Thema und den historischen Zusammenhängen, denn das dies der Kern des Buches ist lässt sich nicht bestreiten. Und damit stellt es eben auch ein besonderes Werk in der Literatur dar. Vielleicht findet sich ja ein weiterer Autor der dieses Buch aufgreift und das Thema philosophisch auf die heutige Zeit reflektiert, denn der Zusammenhang mit den historischen Ereignissen Ende des 19. Jahrhundert wirft natürlich auch die Frage nach der Auswirkung des elektrischen Lichts bis heute auf. Dies deckt das Buch nicht ab, verspricht es allerdings auch gar nicht. Ich hatte dies zunächst in den Untertitel „eine Gesellschaft unter Strom“ hinein interpretiert und weise deshalb hier daraufhin. Einen kleinen Abzug gibt es dafür, dass manche Zusammenhänge nicht so einfach zusammenzuführen sind und große Konzentration benötigen. Ein paar inhaltliche Fehler haben sich auch eingeschlichen, lassen das Werk aber nicht als schlecht recherchiert dastehen.
**** Empfehlung? ****
Eine Empfehlung an alle neugierigen Leser*innen. Ein angenehm zu lesendes Sachbuch über die Glühbirne.
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