Vier Tage vor dem Höhepunkt des Sommers, dort, wo sich Louis Arthur Schongauer, einst düsterer Deutscher in Hollywood-Filmen, nach dem Tod seiner Frau zurückgezogen hat. Jetzt will er nur noch mit seiner Hündin leben, inmitten alter Oliven oberhalb des Gardasees. Doch dann strandet eine Reisebloggerin beim Wenden in seiner Zufahrt, und am nächsten Tag erwartet er eine Autorin, die ihn mit einem Porträt aus der Vergessenheit holen will: zwei Frauen mit Gespür für die Wunden in seinem Leben. Umso wichtiger wird ihm nun sein Tier, für das es nur ein Hier und Jetzt gibt … In Bodo Kirchhoffs neuem Roman geht es um die Sehnsucht nach dem Menschen, der uns erkennt, und die Abgründe, die sich auftun, wenn wir dieser Sehnsucht folgen.
Kirchhoffs jüngster Roman lässt mich sehr ambivalent zurück. Einerseits ist da die fraglos beeindruckende sprachliche Brillanz des Romanciers. Seine atmosphärischen Beschreibungen der hochsommerlichen Hitze am See, die sich letztlich in einem Gewitter entlädt, das biblische Ausmaße annimmt, das ist durchaus großes Kino. Diese Naturbeschreibungen sind zweifelsohne stark und dicht, und man spürt förmlich die aufgeladene Luft, die über der Landschaft liegt. Doch hier beginnt auch das Problem: Kirchhoff zieht eine sehr plakative Verbindung zwischen den Naturereignissen und den inneren Zuständen seines Protagonisten Schongauer, einem alten, zurückgezogen lebenden Mann, der nach dem Tod seiner Frau mit seinem Hund in Isolation lebt.
Diese Parallelen wirken mitunter zu erzwungen, besonders deutlich in der Szene, in der während eines tobenden Gewitters plötzlich eine sexuelle Begegnung zwischen Schongauer und einer deutlich jüngeren Journalistin stattfindet. Diese Symbolik, die zu stark aufgeladen wirkt, könnte man als Holzhammer-Methode bezeichnen – es fehlt an subtilen Nuancen, und das überdeutliche Ineinandergreifen von äußeren und inneren Ereignissen wirkt manchmal schlicht übertrieben.
In Bezug auf die Handlung bleibt vieles unbefriedigend: Die Motivation der Journalistin, ausgerechnet Schongauer interviewen zu wollen, bleibt nebulös, ebenso wie ihr sexuelles Interesse an ihm. Immer wieder hatte ich den Eindruck, dass es sich weniger um eine nachvollziehbare Entwicklung der Figuren handelt, sondern eher um eine Projektion von Wünschen und Vorstellungen des Autors. Die biografischen Ähnlichkeiten zwischen Kirchhoff und seinem Protagonisten sind nicht zu übersehen, was den Verdacht aufkommen lässt, dass hier Altherrenfantasien eine literarische Bühne erhalten haben.
Die zweite weibliche Figur, eine junge und attraktive Reisebloggerin, die ebenfalls in Schongauers Leben tritt, trägt weiter zu dem Eindruck bei, dass die Darstellung der Frauenfiguren im Roman stereotyp und übermäßig idealisiert ist. Die Tatsache, dass sie sich auf Anhieb mit dem griesgrämigen Schongauer versteht, wirkt ebenso unglaubwürdig wie die plötzliche Ferndiagnose von Herzproblemen durch den Ehemann der Journalistin via Telefon.
Trotz der Vielzahl an literarischen und künstlerischen Anspielungen, die den Text durchziehen, vermag auch dieser intertextuelle Reichtum den Roman nicht zu retten. Kirchhoffs Interpretation der "Versuchung des Heiligen Antonius" als ewige Bedrohung des Mannes durch das Weibliche erscheint dabei einseitig und misogyn.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kirchhoff sprachlich zwar brilliert und eine dichte Atmosphäre zu schaffen weiß, jedoch inhaltlich nicht überzeugt.Kirchhoff hat einmal erklärt, es gehe ihm beim Schreiben „stets um eine Versöhnung von Sexualität und Sprache“. Nun, für mich ist diese Versöhnung hier leider nicht gelungen, stattdessen bleibt der Eindruck eines larmoyanten alten Mannes, der im Grunde die weibliche Psyche nicht versteht und sie daher auf klischeehafte Muster reduziert.
Louis Arthur Schongauer hat „ein deutsches Gesicht“. Genau richtig, um in Hollywood als böser Nazi eingesetzt zu werden. In Nebenrollen. So lebt er, bis er seine Frau kennenlernt und sein Leben nach ihr richtet, der bekannten Tierfotografin Magda. Es ist kurz vor seinem 75. Geburtstag. Magda lebt nicht mehr, L.A. hat sich in sein Haus im Olivenhain oberhalb des Gardasees zurückgezogen. Der einzige Begleiter des selbstgewählten Eremiten ist eine Hündin und er bewundert das Tier ob seiner unbedarften Hingabe an den Moment. Vor allem, als erst eine, dann eine zweite Frau seine Weltflucht stört.
Ein feines, anspruchsvolles Kammerstück hat Bodo Kirchhoff da geschrieben. Einiges passiert in diesen schwülen, eigentlich eher lähmenden Tagen des Ferragosto. Erinnerungen tauchen auf, Sehnsüchte, Liebe, Erotik, Schmerz, Tod. Gedanken über Erfolg und Scheitern, Zufall und Schuld. Das ganze Leben eben. Dafür steht auch der See, mal spiegelnd glatt, mal tobend, alles verschlingend. Kirchhoffs Sprache fasziniert, seine Beschreibungen der Natur, der Stimmung oder eben die Reflexionen über das Tier. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, bis zum unerwarteten Schluss. (kf)
A.L. Schongauer, ein alternder Schauspieler, der in Hollywood auf kleine Nazirollen spezialisiert war, lebt mit seiner Hündin Ascha zurückgezogen und zunehmend vereinsamt am Gardasee, als seine Ruhe in kürzester Zeit von drei Frauen gestört wird: eine Bloggerin, eher zufällig gestrandet, eine Journalistin, die er selber eingeladen hat und sich dafür verflucht, und zuletzt die Mutter der Bloggerin..
Schongauer muss sich eher unfreiwillig mit seiner Vergangenheit auseinandersetzten, die geprägt ist von zwei tragischen Liebesbeziehungen und jetzt im
Alter macht ihm ein Herzleiden zu schaffen. Die Hündin Ascha ist sein wichtigster Bezugspunkt und manchmal möchte er tauschen mit ihr und wie sie im Hier und Jetzt leben.
Ein grandioser Roman!
Vielschichtig, eindringlich in seiner Prosa mit Themen wie Scham, Schuld, Einsamkeit, Glück, Sexualität und nicht zuletzt- den Tod.
Ein Highlight des Frühjahrs!
Es ist ein Problem aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite neu und versuchen es noch einmal.
Was bleibt, wenn man im letzten Lebensabschnitt das Leben Revue passieren lässt - welche Ereignisse und Menschen sind es wert, erzählt zu werden? Und was lässt man lieber in der Vergangenheit ruhen?
Bodo Kirchhoff hat mit L.A. Schongauer eine interessante und glaubwürdige Figur geschaffen, über die man gerne (noch) mehr erfahren möchte. Auch sprachlich ein wahrer Lesegenuss.
Kurze Frage zu unserer Seite
Vielen Dank für Ihr Feedback
Wir nutzen Ihr Feedback, um unsere Produktseiten zu
verbessern. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir Ihnen keine Rückmeldung geben können. Falls Sie
Kontakt mit uns aufnehmen möchten, können Sie sich aber gerne an unseren Kund*innenservice wenden.