Eine Liebe in dunklen Zeiten – und eine Frau, die sich die Frage nach der Schuld stellen muss
Isabell zieht mit ihrer kleinen Familie in die Nähe ihrer Großmutter Klara. Durch Zufall entdeckt sie in deren Reihenhaus einen Karton mit Tonbandkassetten. Darauf offenbart die alte Frau, die Isabell immer als unnahbar empfunden hat, ein Geheimnis, das sie sich am Ende ihres Lebens unbedingt von der Seele reden wollte – und das in ihrer Familie bis heute nachwirkt.
Sommer 1939: Klara und Gustav heiraten, und obwohl es nur eine kleine Feier ist, herrscht bei allen das Gefühl vor, dass etwas Großes beginnt. Ihr Zuhause richten sie sich in einem Häuschen neben dem Frauenbildungsheim ein, das Klara für die Nationalsozialisten leitet. Das jüdische Mädchen Tolla, das Klara über Jahre bei sich versteckt hat, soll mit einem Kindertransport ins sichere Ausland kommen. Nun scheint ein Stück Normalität möglich, wenigstens für kurze Zeit. Denn dass dies der letzte Sommer vor dem Krieg sein wird, ist überall zu spüren. Wenig später wird Gustav eingezogen und Klara, inzwischen schwanger, muss ihren Weg durch das Dritte Reich, zwischen Schuld und Verantwortung, allein finden. Als der Krieg schließlich in die Stadt am Harz zurückkommt, stellt sich für Klara die Frage, ob ihr das Leben wirklich keine andere Wahl gelassen hat.
»Zwischen den Sommern« ist nach »Die karierten Mädchen« der zweite Band einer Trilogie, die von den 1930er- bis in die 1960er-Jahre reicht. Sie ist inspiriert von den Lebenserinnerungen von Alexa Hennig von Langes Großmutter, die diese mit über neunzig Jahren auf mehr als 130 Tonband-Kassetten dokumentierte. Tessa Mittelstaedt liest den Roman lebendig und voller Gefühl.
Alexa Hennig von Lange hat einen wahren Schatz gehoben. Auf über hundert Tonbändern berichtet ihre Großmutter aus ihrem Leben. Die Autorin verarbeitet dies in einer Roman-Trilogie, die das Leben der fiktiven Protagonistin Klara von den 1930er bis zu den 1960er Jahren verfolgt. Im ersten Band "Die karierten Mädchen" lernen wir Klara kennen, als sie mitten in der Weltwirtschaftskrise als Hauswirtschaftslehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum arbeitet.
Der zweite Band "Zwischen den Sommern" setzt diese Geschichte fort. Klara ist inzwischen mit Gustav verheiratet und leitet ein Frauenbildungsheim der Nationalsozialisten als der Krieg ausbricht. Die Handlung wird aus zwei Zeitperspektiven erzählt, einmal aus Sicht der jungen Klara und zum anderen aus der Gegenwartsperspektive. Kurz dürfen wir die über 90jährige Klara kennenlernen, die jedoch verstirbt und von ihrer Enkelin Isabell gefunden wird. Isabell kümmert sich danach um den Nachlass der alten Frau und findet hunderte von Tonbandkassetten mit den Erinnerungen ihrer Großmutter. Isabell lernt beim Zuhören eine ganz andere Frau kennen, als die distanzierte Großmutter, mit der sie aufgewachsen ist.
Alexa Hennig von Lange erzählt gekonnt und fließend, so dass man schnell in der Geschichte drin ist. Man muss den ersten Band "Die karierten Mädchen" nicht unbedingt gelesen haben, um mit Band zwei klar zu kommen, die Tiefe der Geschichte rund um das Waisenmädchen Tolla erschließt sich aber wirklich erst, wenn man den Anfang der Trilogie ebenfalls gelesen hat.
Obwohl ich die Vorgeschichte kannte, fehlte mir im vorliegenden Roman das gewisse Etwas. Natürlich werden die Schrecken des Krieges geschildert, hadert man mit der Politik der Nationalsozialisten, aber irgendwie alles nur sehr oberflächlich. Ich hätte beispielsweise gern mehr von Gustav erfahren oder auch von Tolla. Vielleicht kommt das alles im abschließenden dritten Band. Es wäre nicht die erste Trilogie mit einem starken Auftakt, einem eher unspektakulären Mittelteil und einem fulminanten Ende. Hoffen wir, dass es sich auch hier so verhält. Ich werden den dritten Teil auf jeden Fall lesen.
Krieg frisst Leben
mimitatis_buecherkiste aus Krefeld am 05.12.2023
Bewertet: Buch (Gebundene Ausgabe)
Klara stürzt zu Hause in ihrem Garten, ihre Enkelin Isabell findet die über neunzig Jahre alte Frau leblos vor. Im Haus findet sie einen Karton mit 140 Tonbandkassetten, auf denen Klara ihre Lebenserinnerungen aufgesprochen hat; besonders die Zeit im nationalsozialistischen Deutschland, als Isabells Oma ein Frauenbildungsheim geleitet hat, verstört die junge Frau, da Klara von Ereignissen und Menschen spricht, von denen sie noch nie gehört hat. Immer wieder ist die Rede von dem Mädchen Tolla, allerdings ist diese weder Isabell noch ihrer Mutter bekannt. Welche Geheimnisse wohl noch ans Licht kommen werden?
Das vorliegende Buch ist der zweite Teil der Heimkehr-Trilogie von Alexa Hennig von Lange, der erste Teil mit dem Titel ‚Die karierten Mädchen‘ konnte mich letztes Jahr restlos begeistern. Meine Rezension könnte unbeabsichtigt Dinge enthalten, die Leserinnen und Lesern Einzelheiten zum ersten Band verraten. Dies lässt sich leider nicht vermeiden, um diesem Teil der Trilogie gerecht zu werden, dennoch will ich darauf hinweisen, damit jeder selbst entscheiden kann, wieviel er oder sie erfahren möchte.
Der Einstieg ins Buch fiel mir nicht ganz so leicht, ich erinnerte mich nicht mehr an alle Einzelheiten und trotz des Umstandes, dass ich mir eine Zusammenfassung und auch das letzte Kapitel des erstes Teiles erneut durchgelesen habe, musste ich erst ein Gefühl für die Geschichte bekommen, was länger gedauert hat. Besonders gefallen hat mir dabei, dass die Autorin zusätzlich verschiedene Begebenheiten wiederholt und damit allmählich mein Gedächtnis aufgefrischt hat. Klara selbst ist, dies ist bereits dem Klappentext zu entnehmen, sodass ich dies freimütig erwähnen kann, gestorben und ihre Enkelin Isabell nimmt die Kassetten an sich. Das Abhören dieser Kassetten wird zu einer emotionalen Achterbahnfahrt für die junge Frau, die ihre Großmutter als eine eher kühle und angsteinflössende Person wahrgenommen hat.
‚Es war erschreckend, wie wenig Worte es brauchte, um die Auslöschung eines ganzen jungen Lebens mitzuteilen. Dennoch hatten diese wenigen Worte die Kraft, den geballten Schmerz zu transportieren, der nicht zu begreifen war. Es gab kein Gegenteil zu diesem Schmerz, keine Linderung, keinen Trost.‘ (Seite 247)
Es wurde, wie bereits im Vorgängerband, abwechselnd die Gegenwart und die Vergangenheit thematisiert, zusätzlich erfolgten in der zurückliegenden Zeit Sprünge in den Monaten und Jahren, die Situation spitzte sich zu, die Umstände änderten sich und die Lage wurde dramatisch, in vielen Dingen fast schon aussichtslos. Daneben tauchte wiederholt die Frage auf, ob Klara eine Mitläuferin war, und ob zudem ihr Schweigen und Erdulden bedeutet, dass sie sich mitschuldig gemacht hat an den damaligen Verbrechen. Für mich ist dies eine Frage, die nicht so einfach beantwortet werden kann, denn nach einer so langen Zeit großspurig zu behaupten, man hätte dies oder das anders gemacht, grenzt an Überheblichkeit. Erst wer selbst eine bestimmte Situation erlebt hat, kann sich ein Urteil erlauben und auch dann ist jedes Schicksal einzeln zu bewerten. Hinsichtlich Klara kann sich jeder Leser und jede Leserin ein eigenes Urteil bilden. Die Autorin jedenfalls lässt in dieser Frage einen großen Spielraum zu, was mir persönlich gefallen hat.
Der so sehr befürchtete Krieg wird in diesem Band thematisiert, viele geschichtliche Fakten hat die Autorin eingeflochten und so eine Atmosphäre geschaffen, die mich mal mehr, mal weniger erschüttert hat. An vielen Stellen floss mein Herz über, oft war ich entsetzt, manchmal angewidert, überwiegend aber einfach emotional bewegt, und das aus vielerlei Gründen. Immer wieder tauchte die Frage auf, was mit Tolla passiert, wo das kleine Mädchen gelandet ist, das Klara weggeben musste, um deren Leben zu retten. Ob und wie die Frage beantwortet wurde, wird von mir natürlich nicht verraten. Nur so viel kann ich schreiben: es bleibt spannend!
Anfangs hätte ich nicht gedacht, dass die Fortsetzung mich so dermaßen packen würde, aber als ich einmal drin und der sprichwörtliche Knoten geplatzt war, vergaß ich alles um mich herum. Das letzte Drittel war unglaublich emotional und auch das Nachwort fand ich erneut sehr bewegend. Ich kann den Abschlussband nun kaum noch erwarten und bin gespannt darauf, wie es im Leben von Klara weiterging. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und eine Leseempfehlung.
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Nach dem Tod ihrer Großmutter Klara findet Isabelle ein Box voller besprochener Kassetten. Darauf hat die blinde Klara ihr Leben verewigt. Isabelle taucht also hinein in das Leben einer Frauenbildungsheimleiterin am Vorabend des 2. Weltkrieges.
Mit viel Herz und sehr ergreifend spinnt Alexa Hennig von Lange weiter an der Lebensgeschichte ihrer eigenen Großmutter.
Und immer schwingt die leise Frage mit: Wie hätte ich mich verhalten? Wir Nachgeborenen müssen aus der Geschichte lernen und auch unangenehmen Fragen nicht ausweichen.