Enaiatollah war etwa zehn Jahre alt, als seine Mutter mit ihm Afghanistan verließ. Die Familie gehört der Volksgruppe „Hazara“ an. Und die sind nichts wert, meinten andere Leute. Für den Jungen begann die Flucht in ein besseres Leben. Ohne seine Familie. „Hast du meine Mutter gesehen?“, fragte ich. Der Mann sagte ohne aufzublicken: „Ja, ich habe sie gesehen.“ Ich war froh. „Wo ist sie hingegangen?“, wollte ich wissen. „Fort“, antwortete er. „Wohin fort? Und wann kommt sie wieder“, fragte ich. „Sie kommt nicht wieder“, sagte Onkel Rahim. Fabio Geda wurde 1972 in Turin (Italien) geboren. Er hat mehrere Bücher geschrieben. Bei einer Lesung lernte er Enaiatollah Akbari kennen. Der erzählte Geda seine Geschichte. So entstand dieses ergreifende Buch.
Bewertung (Mitglied der Book Circle Community) am 20.03.2024
Bewertungsnummer: 2159433
Bewertet: Buch (Taschenbuch)
Enaiat ist in Afghanistan geboren, wann genau, weiss er nicht, es muss Ende der 80er-Jahre sein. Er wird von seiner Mutter nach Pakistan gebracht und dort zurückgelassen, weil seine Volksgruppe von den Taliban unterdrückt und ausgenutzt wird. Mit etwa zehn Jahren beginnt seine Flucht, die Ereignisse in New York des 9/11 sieht er am Fernsehen, in der Meinung, auf allen Kanälen zeigen sie den gleichen Film. Enaiat reist von Land zu Land, teilweise bleibt er illegal während Monaten vor Ort, mit dem Ziel Europa. Die Strapazen, Drangsalierungen, Ausbeutungen und zwischendurch aber auch Unterstützungen und die Solidarität, die er während der Reise erfährt, werden fast lakonisch erzählt. Man mag sich nicht vorstellen, was es heisst, mit nichts anderem als seinen Erinnerungen (und ein wenig selbstverdientes Geld) über Monate illegal unterwegs zu sein. Etwa fünf Jahr später kommt er in Italien an, lernt Italienisch und erhält den Status eines politisch Verfolgten.
Das Buch gibt einen kleinen Einblick in ein Schicksal von vielen Flüchtlingen, die ihr Heimatland verlassen, um an einem anderen Ort ein halbwegs besseres oder sichereres Leben zu führen. Und doch, wäre es möglich gewesen, in Afghanistan in Würde zu leben und nicht wegen der falschen Volksgruppe und der falschen Religion verfolgt zu werden, diese Reise hätte nie stattfinden müssen.
Auf die Fortsetzung der Lebensgeschichte im »Im Winter Schnee, nachts Sterne« bin ich gespannt.
Der Sprecher des Hörbuchs ist gut gewählt. Er setzt den Inhalt (Ich-Erzähler) gekonnt um, macht ihn erlebbar, lässt mitfühlen.
Auch, wenn man sich zuvor schon vorstellen konnte, warum Menschen ihre Heimat verlassen, wird dieses Verständnis noch einmal auf eine ganz neue Ebene gehoben. Manche (unbewussten) Ängste werden gemildert, Menschlichkeit - im besten Sinne - geweckt.
Man erschauert vor den Grausamkeiten, ist dankbar für seine eigene Lebenssituation, auch wenn man zuvor vll. dachte, dass es doch hinten und vorne nicht zum Leben reicht.
Und auch, wenn sich das bis hierhin recht unromantisch liest: Es ist eine mitreißend erzählte Geschichte. Eher unaufgeregt, was es umso dramatischer macht.
Man fragt sich: warum stehen wir nicht alle auf und helfen einander ?!? So viel Potential! So viel Potential…
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